Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
Vom Netzwerk:
halb auf die Beine gerappelt, als ihn ein donnergleiches Knurren gebückt erstarren ließ. Er schaute langsam nach rechts und sah sich einem Berglöwen gegenüber, der am Rand der Bäume auf der gegenüberliegenden Seite des Pfades kauerte.
    Das gelbbraune Fell der großen Katze fügte sich gut in den winterlichen Hintergrund, aber ihre gelben Augen wirkten groß wie die Deckel von Nagelfässern und waren auf ihn geheftet. Mit dem Bauch dicht über dem Boden beobachtete ihn das Tier, während dessen hin- und herzuckender Schwanz Laub und Schnee aufwirbelte. Dann näherte es sich ihm wie in einem Albtraum erst einen, dann zwei Schritte; Muskeln spannten sich entlang der Schultern.
    Der Berglöwe pirschte sich an ihn an.
    Wegzulaufen schien sinnlos. Tobin hatte zu große Angst, um auch nur die Augen zu schließen.
    Der Berglöwe näherte sich einen weiteren Schritt, dann hielt er inne und legte die Ohren flach an den Kopf an, als Bruder zwischen ihnen auftauchte.
    Die Katze konnte ihn sehen. Sie duckte sich tiefer und knurrte, wodurch sie grausam gekrümmte Fänge offenbarte, länger als Tobins Daumen. Mittlerweile war Tobin über schlichte Angst hinaus und konnte sich nicht bewegen.
    Der Berglöwe fauchte und hieb nach dem Geist. Kaum zwei Schritte von Tobins Brust entfernt fuhr eine mächtige Pranke durch die Luft, so dicht, dass Tobin den Luftzug spürte und sah, wie die scharfen Krallen durch Bruders Bauch zischten. Bruder rührte sich nicht. Das Tier knurrte abermals und setzte zum Springen an.
    Tobin hörte jemand auf sie zulaufen. Es war Ki, der zu Fuß zurückgerannt kam; das lange Haar wehte hinter ihm her. Er stieß einen wilden Schrei aus und hielt lediglich mit einem langen, knorrigen Stock bewaffnet geradewegs auf den Berglöwen zu.
    »Nein!«, brüllte Tobin, doch es war zu spät. Die Katze sprang und prallte mit voller Wucht in Kis Brust. Zusammen rollten die beiden über den Pfad und kamen – mit dem Berglöwen zuoberst – zum Liegen.
    Einen entsetzlichen Augenblick lang spürte Tobin, wie die Zeit stillstand, genau wie damals, als seine Mutter die Seite des Turms hinab von ihm wegfiel. Ki lag unter dem Berglöwen auf dem Rücken; Tobin konnte nur die gespreizten Beine seines Freundes und den auf dessen Bauch gestemmten Hinterlauf der Katze sehen, die dazu ansetzte, ihn auszuweiden wie ein Eichhörnchen.
    Doch weder Ki noch der Berglöwe rührten sich, und plötzlich stand Bruder über ihnen. Tobin war kaum bewusst, dass er rannte, bis er sich auf den Rücken des Tieres warf, den riesigen Schädel packte und ihn von Kis Kehle wegriss. Der Berglöwe erwies sich als schlaffes, totes Gewicht in seinen Händen.
    »Ki! Ki, bist du tot?«, rief Tobin, während er versuchte, den schweren Leib von seinem Freund zu hieven.
    »Ich glaube nicht«, ertönte die matte Antwort, und er begann, sich zu winden. Gemeinsam gelang es den beiden, den Berglöwen beiseite zu rollen. Ki kroch blass und zittrig, aber eindeutig lebendig darunter hervor. Die Vorderseite seines Kittels war zerfetzt, und aus einem langen Kratzer an seinem Hals troff Blut auf die Schnüre hinab. Tobin sank auf die Knie und starrte seinen Freund an; er konnte kaum glauben, was sich soeben ereignet hatte. Wortlos drehten sie die Köpfe und schauten zu der Katze, die neben ihnen lag. Die gelben Augen starrten blicklos in den Graben. Dunkles Blut befleckte den Schnee unter den klaffenden Kiefern.
    Ki fand als erster die Stimme wieder. »Bei Bilairys behaartem Hintern!«, krächzte er mit einer Stimme, ein Oktave höher als sonst. »Was ist geschehen?«
    »Ich glaube, Bruder hat die Berglöwin getötet!« Verwundert sah Tobin den Geist an, der nun über der toten Katze kauerte. »Er hat sich zwischen sie und mich gestellt und ihren Angriff abgewehrt. Aber dann kamst du angerannt, mit einem … Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, mit einem – einem Stock auf das Tier zuzulaufen?«
    Ki zog das geschnitzte Pferd hervor, das er als Glücksbringer um den Hals trug. »Ich bin dein Knappe. Etwas anderes konnte ich nicht finden, und …« Jäh verstummte er mitten im Satz und starrte mit offen stehendem Mund über Tobins Schulter.
    Tobins Nackenhaare richteten sich auf. Jagten Berglöwen in Paaren? Oder gar in Rudeln? Hastig fuhr er herum, verlor dabei das Gleichgewicht und plumpste schwer auf sein Hinterteil.
    Ein paar Schritte entfernt stand Lhel, so schmutzig und zerlumpt, wie er sie in Erinnerung hatte. Sie wirkte keineswegs überrascht, die beiden

Weitere Kostenlose Bücher