Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
Jungen mit einem toten Berglöwen vorzufinden.
»Ihr nach mir gesucht, Keesas ?«
»Äh … ja. Ich – ich hoffe, du hast nichts dagegen. Ich habe meinem Freund von dir erzählt – er ist noch nie einer Hexe begegnet. Und – und du hast gesagt, du willst mir etwas beibringen«, brachte er stockend hervor. Im schwindenden Licht vermochte er nicht zu erkennen, ob sie wütend schien oder nicht.
»Und stattdessen ihr gefunden von große Maskar .« Mit einem in Lumpen gehüllten Fuß stupste sie die tote Katze.
»Bruder hat das Tier davon abgehalten, mich zu erwischen, dann kam Ki, und hat es abgelenkt, und Bruder hat es getötet.«
»Ich getötet. Bruder nicht machen tot.«
Beide Jungen glotzten sie mit geweiteten Augen an. »Du? Aber – aber wie?«, fragte Tobin.
Sie schnaubte verächtlich. »Ich Hexe.« Dann kniete sie sich hin und nahm Tobins Gesicht zwischen ihre rauen Handflächen. »Du verletzt, Keesa ?«
»Nein.«
»Du?« Sie streckte den Arm aus, um Kis Hals zu berühren.
Der ältere Junge schüttelte den Kopf.
»Gut.« Lhel grinste, wodurch einige Zahnlücken zum Vorschein kamen. »Du sein Tobins tapferer guter Freund. Du auch haben Stimme, Keesa ?«
Ki errötete. »Ich weiß nicht, was man zu einer Hexe sagt.«
»Vielleicht sagen: ›Hallo, Hexe‹?«
Ki rappelte sich auf die Knie und verbeugte sich vor ihr, als wäre sie eine Fürstin. »Hallo, Frau Lhel. Und danke! Ich stehe in Eurer Schuld.«
Lhel legte ihm eine Hand auf den Kopf. Einen Lidschlag lang vermeinte Tobin, Traurigkeit in ihren Augen aufflackern zu sehen, und eine unangenehme Kälte rollte durch seinen Bauch. Als sie sich jedoch umdrehte und Tobin in eine Umarmung zog, war der Blick verflogen. Steif ließ er es geschehen; sie roch nicht besonders gut.
Sie hielt ihn kurz fest und flüsterte: »Das guter Keesa . Du sein gut zu ihm? Ihn beschützen?«
»Ihn beschützen? Vor wem?«
»Du wirst wissen, wenn Zeit kommt.« Lhel klopfte ihm mit einem Finger auf die Brust. »Du das behalten hier. Es nicht vergessen.«
»Das werde ich nicht.«
Tobin löste sich von ihr. Bruder stand nun nah genug, um ihn zu berühren, und Tobin versuchte, ihm zu danken. Wie üblich fand seine Hand keinen Halt an der fest wirkenden Gestalt, sondern stieß lediglich auf einen Fleck kälterer Luft.
»Woher wusstet Ihr, dass wir hier sind?«, fragte Ki.
»Ich dich viele Male sehen, um zu wissen, was für guten Freund mein Tobin haben. Ihr zusammen werden feine Krieger.« Sie berührte ihre Stirn. »Ich es hier sehe.« Die Hexe schaute wieder zu Tobin, dann deutete sie in die Richtung der Feste. »Du haben noch einen Lehrmeister. Du ihn magst?«
»Nein. Er wirkt Magie, aber andere als du. Hauptsächlich bringt er uns Lesen und Rechnen bei.«
»Er hat auch versucht, uns das Tanzen beizubringen, aber er stellt sich selber wie ein großer Reiher auf Eis an«, fügte Ki hinzu. »Begleitet Ihr uns zum Haus, Frau Lhel? An sich steht es mir nicht zu, Euch Gastfreundschaft anzubieten, aber Ihr habt mir das Leben gerettet. Es wird eine kalte Nacht, und – und Köchin macht heute mit Aspik überzogene Fleischpastete.«
Sie klopfte ihm auf die Schulter. »Nein, sie mich dort nicht kennen. Nichts sagen, ja?«
»Werd ich nicht!«, versprach Ki und warf Tobin ein verschwörerisches Grinsen zu. Die Geschichte über eine Hexe war ein herrliches Geheimnis gewesen; die Hexe selbst war ein Schatz, der alle Hoffnungen überstieg.
»Wir müssen nach Hause.« Tobin warf einen weiteren besorgten Blick zum Himmel; er hatte sich hinter den schwarzen Gipfeln purpurn und golden verdunkelt. »Da wir dich jetzt gefunden haben, dürfen wir dich wieder besuchen kommen? Du hast gesagt, du würdest auch meine Lehrerin werden.«
»Zeit wird kommen. Noch nicht.« Sie steckte zwei Finger in den Mund und stimmte einen durchdringenden Pfiff an. Die ausgerissenen Pferde kamen den Pfad entlang zurückgetrottet und schleiften die losen Zügel im Schnee neben sich her. »Trotzdem ihr könnt kommen besuchen manchmal.«
»Wohin? Wie finden wir dich?«
»Ihr suchen. Ihr finden.« Damit schritt sie unbekümmert davon und verschwand in der zunehmenden Düsternis.
»Bei der Flamme!« Ki hüpfte vor Aufregung auf und ab und knuffte Tobin in den Arm. »Bei der Flamme, sie ist genau, wie du sie beschrieben hast! Eine waschechte Hexe! Sie hat diese Berglöwin getötet, ohne sie auch nur zu berühren. Und sie hat uns die Zukunft vorausgesagt, hast du’s gehört? Feine Krieger!« Er vollführte
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