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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Stücke rissen noch von sich schleuderten.
    »Ich glaube, du schätzt deinen Freund falsch ein«, sagte er hastig. »Es ist ein Andenken an deine tote Mutter. Wer könnte dir das missgönnen? Aber das musst du so handhaben, wie du es für das Beste hältst.«
    »Aber …« In den angespannten Zügen des Jungen rang Verwirrung mit Sturheit.
    »Was?«
    »In der Nacht, in der Ki eintraf, hat Bruder es mir gezeigt . Er hat mir gezeigt, wie Ki die Puppe fand und wie enttäuscht und beschämt alle darüber waren, dass ich sie hatte.
    Genau, wie Vater gesagt hat. Und alles andere, was Bruder mir gezeigt hat, ist wahr geworden. Zumindest glaube ich das. Erinnerst du dich an den Fuchs mit dem gebrochenen Rückgrat? Und ich wusste, dass Iya kommen würde. Und – und er hat mir gesagt, dass Fürst Solari mir Atyion wegnehmen will.«
    »Tatsächlich? Das werde ich Tharin wissen lassen. Was den Rest angeht, weiß ich nicht recht. Es ist durchaus möglich, dass Bruder lügen könnte, wenn er will. Oder dass sich die Dinge, die er dir zeigt, mit der Zeit verändern. Oder vielleicht verstehst du nicht immer richtig, was er dir zeigt.« Er streckte die Hand aus, um Tobin auf die Schulter zu klopfen, und diesmal ließ der Junge es anstandslos zu. »Du bist nicht mit Magie geboren, aber in dir steckt ein wenig Sichtbegabung. Du hättest deine Visionen Lhel oder mir mitteilen sollen. Das ist unsere Gabe und unsere Verpflichtung.«
    Tobins Schultern sackten herab. »Verzeih mir, Arkoniel. Du hast mir immer geholfen, und ich habe dir im Gegenzug wenig Freundlichkeit entgegengebracht.«
    Arkoniel wischte die Entschuldigung mit einer Geste beiseite. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft in der Feste spürte er, dass eine wahre Verbindung zwischen ihnen entstanden war. »Ich erwarte nicht, dass du es schon verstehst, aber ich habe bei meinem Leben geschworen, dich zu beschützen. Vielleicht wirst du dich eines Tages daran erinnern, was wir heute Nacht miteinander geteilt haben, und wissen, dass ich dein Freund bin. Auch wenn ich bloß ein Zauberer bin.« Grinsend streckte er dem Jungen die Hand nach Art eines Kriegers entgegen.
    Tobin ergriff sie. Zwar hatte ihn der alte, vorsichtige Gesichtsausdruck nicht gänzlich verlassen, aber Arkoniel erblickte in seinen Augen eine Achtung, die sich zuvor nicht darin befunden hatte.
    »Ich werde mich daran erinnern, Zauberer.«
     
    Unbeschreiblich erschöpft schlich Tobin zurück in sein Schlafzimmer und versteckte die Puppe tief in einer der Reisetruhen.
    Er versuchte, ins Bett zu kriechen, ohne Ki zu stören, aber als er sich zurücklegte, spürte er die Hand seines Freundes auf dem Arm.
    »Ist dir schlecht, Tobin? Du warst lange weg.«
    »Nein …« Arkoniel fand, dass er Ki von der Puppe erzählen sollte, und plötzlich verspürte Tobin den heftigen Drang dazu. Vielleicht wäre es Ki doch einerlei. Er hasste Geheimnisse zwischen ihnen beiden, und die Puppe befand sich so nah, nur wenige Schritte entfernt. Allerdings hatte er die Erinnerung an Bruders Wutanfall, als er sie Nari zeigen wollte, noch zu deutlich im Gedächtnis.
    »Ich wollte mich nur von Arkoniel verabschieden«, murmelte er.
    »Er wird uns beiden fehlen. Ich wette, er hat ein paar Zauber im Ärmel, die Fürst Orun zum Schweigen bringen würden.«
    Für Laken oder Hemden war es zu heiß. Ausgestreckt auf dem Rücken liegend, starrten sie in die Schatten empor.
    »Die vergangen Wochen waren wirklich mies, was?«, meinte Ki nach einer Weile. »Zuerst das mit deinem Vater …« Kurz stockte seine Stimme. »Und der alte Schwabbelbauch unten? So hatten wir es uns nicht vorgestellt, in den Osten zu reisen.«
    In Tobins Hals bildete sich ein Kloß, und er schüttelte den Kopf. Seines Vaters Tod, seiner Mutter Geist, der Ruf nach Ero, Arkoniels Warnung in dieser Nacht, die Sache mit Bruder, das Rudel der Fremden, das unten auf ihn wartete …
    All die Tränen, die er über die Jahre hinweg nicht finden konnte, schienen nun plötzlich ihn zu finden und rollten ihm lautlos über die Wangen in die Ohren. Er wagte nicht, zu schniefen oder sie wegzuwischen, weil er fürchtete, dass Ki es bemerken würde.
    »Wurde aber auch Zeit«, murmelte Ki heiser, und Tobin erkannte, dass sein Freund ebenfalls weinte. »Ich dachte schon langsam, du wüsstest nicht, wie es geht. Man muss trauern, Tobin. Alle Krieger tun das.«
    Das also ist dieser Schmerz?, fragte sich Tobin. Aber er fühlte sich so gewaltig an. Wenn er sich ihm ergäbe, würde er ihn

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