Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
Mädchen.«
Arkoniel verbarg seine Überraschung schnell; er vermutete, wenn von jemandem Gerüchte verbreitet würden, dann von Ki. Anscheinend würde seine Arbeit doch für ihn erledigt. »Lass sie das ruhig weiter glauben. Es ist ohnehin nutzlos, etwas anderes zu behaupten. Sag am besten gar nichts dazu, und lass nie jemanden Bruder sehen. Und du darfst niemals zugeben, dass du jemanden wie Lhel kennst. Ihre Magie ist keine Totenbeschwörerei, aber die meisten Menschen halten sie dafür, und deshalb werden sie und ihresgleichen in Skala geächtet.« Er zwinkerte Tobin verschwörerisch zu. »Das macht uns beide, dich und mich, auch zu Geächteten.«
»Aber warum hatte Vater dann mit ihr Umgang, wenn …«
»Das ist eine Frage, die wir uns für später aufheben, wenn du älter bist, mein Prinz. Vertrau in der Zwischenzeit auf die Ehre deines Vaters, wie du es immer getan hast, und versprich mir, dass du Lhel und Bruder geheim hältst.«
Tobin spielte an einem der nicht zusammenpassenden Beine der Puppe herum. »Das tue ich, aber manchmal macht er, was er will.«
»Nun, du musst um deinetwillen dein Bestes, dein Allerbestes versuchen. Und auch für Ki.«
»Für Ki?«
Arkoniel stützte die Ellbogen auf die Knie. »Hier in der Feste haben du und Ki wie Brüder und Freunde gelebt.
Wie Gleichgestellte, wenn du so möchtest. Aber wenn du erst am Hof bist, wirst du bald feststellen, dass ihr das nicht seid. Bis du erwachsen bist, besitzt Ki keinen Schutz außer deiner Freundschaft und dem Gutdünken deines Onkels. Sollte man euch beide der Totenbeschwörerei bezichtigen, würde der König dich vielleicht verschonen, aber Ki würde auf grausame Weise hingerichtet. Für ihn gäbe es keine Rettung.«
Tobin erbleichte. »Aber Bruder hat doch nichts mit ihm zu tun!«
»Das würde keine Rolle spielen, Tobin. Das versuche ich gerade, dir beizubringen. Es hat nichts mit der Wahrheit zu tun. Es bedürfte nur der Anschuldigung eines der Zauberer der Spürhunde. Das geschieht dieser Tage häufig. Große Zauberer, die nie jemandem etwas zuleide getan haben, werden bloß aufgrund einer Geschichte aus zweiter Hand bei lebendigem Leibe verbrannt.«
»Aber warum?«
»In ihrem Übereifer, dem König zu dienen, haben sie einen anderen Pfad eingeschlagen als der Rest von uns. Ich kann es nicht erklären, weil ich es selbst nicht verstehe. Aber versprich mir, dass du vorsichtig sein und Ki ebenfalls dazu anhalten wirst.«
Tobin seufzte. »Ich wünschte, ich müsste nicht weggehen. Jedenfalls nicht so. Ich wollte Vater begleiten, Ero und Atyion sehen, in den Krieg ziehen, aber …« Er ließ den Satz unvollendet und rieb sich die Augen.
»Ich weiß. Aber es entspricht Illiors Art, unsere Füße auf den rechten Weg zu leiten, ohne mit seinem Licht sehr weit vorauszuleuchten. Setz dein Vertrauen darauf und in die guten Freunde, die der Lichtträger an deine Seite geschickt hat.«
»Illior?« Tobin bedachte ihn mit einem zweifelnden Blick.
»Und auch Sakor«, fügte Arkoniel rasch hinzu. »Aber sieh nur, wessen Mal du am Kinn trägst.«
»Und was ist mit der Puppe? Was soll ich damit tun?«
Der Zauberer hielt den Mehlsack hoch. »Das hier sollte genügen.«
Der Junge sah ihn verzweifelt an. »Du verstehst nicht. Was, wenn der Prinz die Puppe sieht? Oder der Waffenmeister? Oder Ki ?«
»Und wenn schon.« Zu seinem Erstaunen errötete Tobin. »Glaubst du etwa, Ki würde deshalb schlechter von dir denken?«
»Was glaubst du wohl, warum ich sie im Turm versteckt hatte?«
»Nun, ich habe die Puppe gesehen und denke deshalb nicht schlechter von dir.«
Tobin verdrehte die Augen. »Du bist ein Zauberer .«
Arkoniel lachte. »Wurde da gerade meine Männlichkeit beleidigt?«
»Du bist kein Krieger!« Mittlerweile schüttelte den Jungen ein heftiger Gefühlsausbruch, der seine Augen funkeln und seine Stimme brechen ließ. »Krieger wollen keine Puppen. Ich habe die hier nur, weil Lhel sagt, dass ich sie behalten muss. Für Bruder.«
Arkoniel musterte ihn eingehend. Die Art und Weise, wie Tobin die unförmige Puppe nach wie vor umklammerte, strafte jedes Wort Lügen, das er sprach.
Das sie sprach, ergänzte er im Geiste. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit gestattete Arkoniel sich diese Berichtigung, obwohl er kaum ein Anzeichen der verborgenen Prinzessin in dem zornigen Jungen vor sich sah – abgesehen davon vielleicht, dass die starken, schwieligen Hände den Gegenstand, für den sich Tobin angeblich so schämte, weder in
Weitere Kostenlose Bücher