Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
säumten die schlammigen Straßen, und überall tummelten sich Kinder und Tiere. Schweine jagten Hunde, Hunde jagten Katzen und Hühner, und kleine Kinder jagten einander und alles andere. Tobin konnte nicht anders, als ihnen hinterherzustarren, denn er hatte noch nie so viele Kinder an einem Ort gesehen. Diejenigen, die ihn bemerkten, blieben stehen und starrten zurück oder deuteten auf ihn, wodurch er sich wieder recht unbehaglich fühlte. Ein kleines Mädchen mit einer Holzpuppe unter dem Arm glotzte ihn an; er blickte finster zurück, bis das Mädchen wegschaute.
Der Hauptplatz der Ortschaft erwies sich als zu bevölkert, um zu reiten, deshalb ließen sie die Tiere bei einem Pferdeknecht zurück und setzten den Weg zu Fuß fort. Tobin umklammerte fest die Hand seines Vaters, weil er fürchtete, sich in der Menschenmenge hoffnungslos zu verirren, sollten sie voneinander getrennt werden.
»Geh mit stolz erhobenem Haupt, Tobin«, murmelte sein Vater. »Es ist nicht alltäglich, dass ein Prinz den Markt von Alestun besucht.«
Zuerst begaben sie sich zum Schrein der Vier auf der Mitte des Hauptplatzes. Der Schrein in der Feste bestand lediglich aus einer Steinnische in der Halle mit den eingemeißelten und gemalten Zeichen der vier Gottheiten von Skala. Dieser hier glich eher Köchins Sommerküche. Vier Pfosten stützten ein Reetdach, jeder mit einer anderen Farbe bemalt: weiß für Illior, rot für Sakor, blau für Astellus und gelb für Dalna. Am Fuß jedes Pfostens brannte ein kleines Kohlenbecken für Opfergaben. Unter dem Dach saß eine ältere Priesterin umgeben von Töpfen und Körben auf einem Stuhl. Sie nahm Tobins Gaben entgegen und sprenkelte das Salz, das Brot, die Kräuter und den Weihrauch mit den entsprechenden Gebeten auf die Kohlenbecken.
»Möchtet Ihr ein besonderes Gebet sprechen, mein Prinz?«, fragte sie, nachdem sie fertig war.
Tobin schaute zu seinem Vater, der lächelte und der Priesterin einen Silbersester gab.
»Wen der Vier möchtet Ihr anrufen?«, erkundigte sie sich und legte Tobin eine Hand auf den Kopf.
»Sakor, damit ich ein großer Krieger wie mein Vater werden kann.«
»Kühn gesprochen! Nun denn, wir müssen die Kriegeropferung vollführen, um den Gott zu erfreuen.«
Die Priesterin schnitt mit einer Stahlklinge eine Locke von Tobins Haar ab und knetete sie in einen Klumpen Wachs, zusammen mit Salz, ein paar Tropfen Wasser und einigen Pulvern, die das Wachs schillernd rot werden ließen.
»Da«, sagte sie und legte ihm das weiche Wachs in die Hand. »Formt es zu einem Pferd.«
Tobin mochte, wie glatt sich das Wachs in seinen Fingern anfühlte, als er es drückte und verformte. Er dachte an Gosi, als er die Tiergestalt anfertigte, dann verwendete er einen Fingernagel, um Furchen für die Mähne und den Schwanz einzuritzen.
»Hui!«, stieß die Priesterin hervor und drehte das Stück in den Händen, als er fertig war. »Das ist eine beachtliche Arbeit für einen so kleinen Burschen wie Euch. Ich habe schon erwachsene Männer gesehen, die es nicht so gut gemacht haben. Sakor wird erfreut sein.« Sie fügte mit einem Fingernagel selbst ein paar Zeichen in das Wachs hinzu, dann gab sie ihm das Pferd zurück. »Sprecht Euer Gebet und überreicht dem Gott die Gabe.«
Tobin beugte sich über das Kohlenbecken am Fuß des Sakor-Pfostens und atmete den beißenden Rauch ein. »Mach aus mir einen großen Krieger, einen Verteidiger Skalas«, flüsterte er, ehe er die kleine Figur auf die Kohlen warf. Grünliche Flammen loderten auf, als das Wachs schmolz.
Danach verließen sie den Schrein und tauchten wieder in die Menschenmassen des Markttags ein. Tobin umklammerte immer noch die Hand seines Vaters, aber bald verdrängte Neugier seine Angst.
Ein paar Gesichter erkannte Tobin, Leute, die in die Feste kamen, um Köchin ihre Waren auf dem Küchenhof zu verkaufen. Balus, der Messerschleifer, erblickte ihn und grüßte ihn, indem er sich an die Stirn fasste.
Bauern priesen ihr Obst und Gemüse von den Ladeflächen ihrer Karren aus an. Es gab Haufen von Rüben, Zwiebeln, Wildbrokkoli und Kürbissen, und Körbe voller Äpfel, bei deren Anblick Tobin das Wasser im Mund zusammenlief. Auf einem säuerlich riechenden Karren stapelten sich gewachste Käselaibe und Eimer mit Milch und Butter. Auf dem nächsten türmten sich Schinken. Ein Kesselflicker verkaufte neue Töpfe und flickte alte, wodurch es in seiner Ecke am Dorfbrunnen ständig klapperte. Händler trugen ihre Waren in von
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