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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Schulterjochen hängenden Körben umher und riefen dabei: »Mandelmilch!«, »Gute Markknochen!«, »Kerzen und Feuersteine!«, »Korallenperlen als Glücksbringer!«, »Nadeln und Faden!«
    So muss es in Ero sein , dachte Tobin überwältigt.
    »Was möchtest du als Geschenk?«, fragte sein Vater, der die Stimme erheben musste, um sich über den Lärm Gehör zu verschaffen.
    »Ich weiß nicht«, gab Tobin zurück. Alles, was er sich wirklich gewünscht hatte, war, diesen Ort zu besuchen, was er nunmehr getan hatte. Und obendrein hatte er noch ein Pferd und ein Schwert bekommen.
    »Dann komm mal mit, wir sehen uns um.«
    Tharin zog zu eigenen Besorgungen los, und sein Vater stieß auf Leute, die mit ihm reden mussten. Tobin stand geduldig daneben, während mehrere Pächter seines Vaters ihm Neuigkeiten und Beschwerden vortrugen. Tobin hörte halbherzig zu, wie ein Schafzüchter etwas von verstopften Zitzen leierte, als er eine um einen Tisch in der Nähe gescharte Gruppe von Kindern erblickte. Mittlerweile verwegener, verließ er seinen Vater und ging hinüber, um nachzusehen, was die Kinder anzog.
    Eine Spielzeugmacherin hatte ihre Waren auf dem Tisch ausgebreitet. Es gab Kreisel, Kugelfänger, Säckchen mit roten Tonmurmeln und ein paar grob bemalte Spielbretter mit Leinenüberzug. Was jedoch Tobin ins Auge sprang, waren die Puppen.
    Nari und Köchin zufolge stellte seine Mutter die hübschesten Puppen in ganz Skala her, und er sah vor sich nichts, was dem widersprach. Einige der Puppen waren aus flachen Holzstücken geschnitzt wie jene, die er bei dem kleinen Mädchen gesehen hatte. Andere bestanden aus ausgestopften Lumpen wie die seiner Mutter, aber sie wirkten nicht so gut geformt und trugen keine feinen Kleider. Dafür besaßen ihre bestickten Gesichter Münder – lächelnde Münder –, was ihnen ein freundliches, heimeliges Aussehen verlieh. Tobin ergriff eine Puppe und drückte sie. Die raue Füllung knirschte angenehm unter seinen Fingern. Er lächelte und malte sich aus, diesen lustigen kleinen Burschen unter die Bettdecke zu der Holzfamilie zu stecken. Vielleicht konnte Nari ihm Kleider dafür machen …
    Als er aufschaute, stellte er fest, dass die anderen Kinder und die Händlerin ihn anstarrten. Einer der älteren Knaben kicherte.
    Dann tauchte sein Vater neben ihm auf und riss ihm die Puppe wütend aus den Händen. Seine Züge waren blass, seine Augen hart und zornig. Tobin wich gegen den Tisch zurück; so hatte er seinen Vater noch nie erlebt. Der Blick, mit dem er ihn bedachte, entsprach jenen, die er von seiner Mutter an ihren schlimmsten Tagen erhielt.
    Dann verflog der Ausdruck und wurde von einem gezwungenen Lächeln ersetzt, das noch erschreckender wirkte.
    »Was für ein dummes Ding das ist!«, rief sein Vater aus und warf die Puppe zurück auf den Haufen der anderen. »Das hier wollen wir!« Damit ergriff er etwas vom Tisch und drückte es Tobin in die Hände – ein Säckchen mit Murmeln. »Hauptmann Tharin wird Euch bezahlen, gute Frau. Komm mit, Tobin, es gibt noch mehr zu sehen.«
    Er führte Tobin weg, wobei er ihn zu fest am Arm hielt. Tobin hörte, wie die anderen Kinder hinter ihm in höhnisches Gelächter ausbrachen, und jemand murmelte: »Ich hab doch gesagt, dass er nicht richtig im Kopf ist.«
    Tobin blickte stur zu Boden, um die Tränen der Demütigung zu verbergen, die ihm in den Augen brannten. Dies war schlimmer, viel schlimmer als die Begegnung mit seiner Mutter an jenem Morgen. Er konnte sich nicht vorstellen, weshalb sein Vater so wütend geworden war oder sich die Dorfbewohner plötzlich so gemein verhielten, aber er ahnte mit der plötzlichen, klaren Überzeugung eines Kindes, dass es seine Schuld war.
    Sie begaben sich geradewegs zurück zum Pferdeknecht, um die Tiere abzuholen. Mit der Stadt schien es für Tobin vorbei. Als er aufsteigen wollte, stellte er fest, dass er immer noch die Murmeln in der Hand hielt. Er wollte sie eigentlich nicht, fürchtete jedoch, seinen Vater zusätzlich zu erzürnen, wenn er sie wegwürfe, deshalb stopfte er sie unter den Kragen seines Kittels. Sie rutschten zu seinem Gürtel hinab, wo sie schwer und unangenehm an seiner Seite zum Liegen kamen.
    »Komm, wir reiten nach Hause«, sagte sein Vater und trabte los, ohne auf Tharin zu warten.
    Auf der Heimreise herrschte bedrückendes Schweigen. Tobin fühlte sich, als umklammerte eine Hand seine Kehle, auf dass sie schmerzte. Er hatte vor langer Zeit gelernt, lautlos zu weinen. Sie hatten

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