Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
»Ist Rhius hier? Ich muss …«
»Ist er, ja; obwohl du Glück hast, uns zu erwischen. Wir brechen morgen nach Ero auf. Warum hast du keine Nachricht geschickt?«
Arkoniels Beine knickten unter ihm ein, und er taumelte.
Tharin hievte ihn wieder aufrecht. »Na, egal. Bringen wir dich erst mal ins Haus.«
Tharin half ihm zu einem hohen, grauen Pferd hinüber und in den Sattel. »Was ist geschehen? Ich habe beobachtet, wie du hier unten auf deinem Pferd gesessen und auf den Fluss geschaut hast, dann warf dich das Tier plötzlich ab. Sah aus, als wäre es verrückt geworden. Sefus versucht gerade, es dort drüben für dich einzufangen, und hat alle Hände voll damit zu tun.«
Arkoniel sah, wie drüben auf der Weide ein Mann versuchte, seinen ausgebüxten Wallach zu beruhigen, doch das Tier scheute und trat aus, so oft er nach dem Zaumzeug griff. Arkoniel schüttelte den Kopf, fühlte sich noch nicht bereit, über das zu sprechen, was ihm widerfahren war. Jedenfalls hatte Tharin den Dämon eindeutig nicht gesehen. »Schreckhaftes Vieh.«
»Anscheinend. Also, wie sollen wir dich hinauf zum Haus schaffen? Langsam und schmerzlich oder schnell und schmerzlich?«
Arkoniel brachte ein gequältes Lächeln zustande. »Schnell.«
Tharin stieg hinter ihm auf, griff um ihn herum nach den Zügeln und trieb das Pferd in einen Kanter. Jeder holpernde Hufschlag sandte eine heiße Lanze durch Arkoniels Arm. Er heftete die Augen auf ihr Ziel und hielt sich mit der heilen Hand fest, so gut er konnte.
An der Kuppe des Hügels ritten sie über eine breite Holzbrücke und weiter durch ein Tor auf einen gepflasterten Hof. Mynir und Nari warteten dort zusammen mit einer grobschlächtigen Frau in der fleckigen Schürze einer Köchin.
Auch Nari war gealtert. Sie war immer noch drall und rosig, allerdings hatten sich graue Strähnen in ihr dichtes, braunes Haar eingeschlichen.
Sie halfen Arkoniel vom Pferd, und Tharin stützte ihn beim Weg durch einen düsteren, widerhallenden Saal in die Küche.
»Was um alles in der Welt machst du hier?«, fragte Nari, als Tharin den Zauberer auf eine Bank neben einem gescheuerten Eichenholztisch niederließ.
»Das Kind«, krächzte Arkoniel und stützte den Kopf, in dem sich alles drehte, auf die heile Hand. »Ich bin gekommen, um das Kind zu sehen. Geht es ihm gut?«
Tharin nahm behutsam sein geschwollenes Gelenk in beide Hände. Arkoniel rang nach Luft, als der Mann den Schaden abtastete.
Nari musterte den Zauberer mit einer hochgezogenen Augenbraue. »Natürlich geht es ihm gut. Wieso glaubst du, dass dem anders sein könnte?«
»Ich habe gerade …« Abermals stockte ihm der Atem, als Tharin ihn eingehender untersuchte.
»Was für ein Glück«, meinte er zu Arkoniel. »Es ist nur der äußere Knochen, und ein sauberer Bruch obendrein. Sobald er geschient und verbunden ist, sollte er dir keine allzu großen Schwierigkeiten mehr bereiten.«
Mynir holte eine Leiste und ein paar Stoffstreifen.
»Trink besser zuerst das hier«, meinte die Köchin und reichte ihm einen Tonbecher.
Dankbar stürzte Arkoniel den Inhalt hinab und spürte, wie sich rasch eine betäubende Hitze in seinem Bauch und seinen Gliedern ausbreitete. »Was ist das?«
»Essig, Branntwein, etwas Mohn und Bilsenkraut«, antwortete sie und tätschelte ihm die Schulter.
Es schmerzte zwar trotzdem noch grausam, als Tharin den Knochen richtete, aber Arkoniel war in der Lage, es klaglos über sich ergehen zu lassen.
Mit den Stoffstreifen und einem Lederriemen band Tharin die Schiene fest. Als er fertig war, setzte er sich zurück und grinste Arkoniel an. »Du bist zäher, als du aussiehst, Junge.«
Arkoniel stöhnte nur und trank einen weiteren Schluck aus dem Becher. Allmählich fühlte er sich ziemlich schläfrig.
»Hat Iya dich geschickt?«, wollte Nari wissen.
»Nein. Ich dachte, ich sollte herkommen, um …«
»Also habt ihr es doch noch geschafft, die Zeit für einen Besuch bei uns zu erübrigen?«, schnitt ihm eine harsche Stimme das Wort ab.
Augenblicklich wieder hellwach, stellte Arkoniel fest, dass Rhius ihn von der Küchentür her finster anstarrte.
Tharin erhob sich trat auf den Herzog zu, als erwartete er Gewalt. »Rhius, er ist verletzt.«
Der Herzog schenkte ihm keine Beachtung, sondern durchquerte die Küche und funkelte auf Arkoniel hinab. »Ihr seid also endlich zurückgekommen, wie? Wo ist deine Meisterin?«
»Sie weilt noch im Süden, Herr. Ich bin hier, um Euch unser Beileid und Mitgefühl
Weitere Kostenlose Bücher