Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
»Selbstverständlich nicht«, pflichtete er dem Hauptmann bei. »Behauptet das jemand?«
»Es gibt immer lose Zungen. Wenn etwas wie ein Dämon die Schwester des Königs heimsucht, kannst du dir ja vorstellen, was der Klatsch daraus macht. Warum sonst glaubst du, hat Rhius seine arme Gemahlin und seinen Sohn hier draußen versteckt, so weit fernab anständiger Gesellschaft? Eine Prinzessin, die hier lebt? Ein Prinz? Kein Wunder … Nun, genug davon. Jedenfalls gibt es im Ort reichlich törichtes Gerede. Sogar in Ero.«
»Vielleicht hat Rhius Recht. Bei all den losen Zungen wäre Tobin in der Stadt vermutlich nicht glücklich. Mittlerweile ist er alt genug, um die Gerüchte zu verstehen.«
»Ja. Und es würde seinem Vater das Herz brechen. Mir übrigens auch. Er ist ein guter Junge, unser Tobin. Schon bald wird er zeigen, was wirklich in ihm steckt.«
»Das bezweifle ich nicht.«
Damit überließ Arkoniel den Hauptmann seinen Vorbereitungen und begab sich auf einen Rundgang um die Außenmauer.
Auch dabei stieß er auf Anzeichen für Vernachlässigung und Verwahrlosung. Einst hatte es hier Gärten gegeben. Ein paar Buschrosen verliefen ungepflegt entlang der zerbröckelnden Überreste der Einfriedung aus Stein, und vereinzelt erblickte er die braunen, trockenen Samenköpfe seltener Bauernrosen, die inmitten der wild wuchernden, in der Gegend heimischen Blüten von Lorbeerweiden, Gänseblümchen, Schwalbenwurzelgewächsen und Ginster um ihren Platz kämpften. Arkoniel erinnerte sich daran, dass Ariani in ihrem Garten in Ero Bauernrosenbeete gehabt hatte. In den frühen Sommermonaten hatten riesige Vasen mit den Blumen das ganze Haus mit ihrem Duft erfüllt.
Hier wurde indes nur noch ein Küchengarten zwischen einem hinteren Tor und dem Flussufer gehegt. Arkoniel pflückte einen Fenchelzweig und kaute darauf, während er durch das Hintertor trat.
Es führte auf einen Hof. Arkoniel ging durch eine offene Tür und stellte fest, dass er sich wieder in der Küche befand. Köchin, die keinen anderen Namen zu besitzen schien, bereitete gerade mit Tobins, Naris und Sefus’ Hilfe das Abendmahl zu.
»Ich weiß es nicht, Schatz«, sagte Nari und hörte sich dabei verärgert an. »Warum fragst du solche Dinge?«
»Was für Dinge?«, erkundigte sich Arkoniel und gesellte sich am Tisch zu ihnen. Als er sich setzte, sah er, was Tobin gemacht hatte, und grinste. Fünf weißen Rübenschafen wurde von zwei Betewurzelbären und einem Karottenetwas aufgelauert, das grob an den Drachen erinnerte, den Arkoniel dem Jungen an jenem Morgen gezeigt hatte.
»Köchin war früher Bogenschützin und hat wie Tharin mit Vater gegen die Plenimarer gekämpft«, erklärte Tobin. »Aber sie sagt, der König will keine Frauen mehr in seiner Armee. Warum nicht?«
»Ihr wart Soldatin?«, fragte Arkoniel.
Köchin richtete sich vom Umrühren eines Kessels auf und wischte sich die Hände an der Schürze ab. Bislang hatte Arkoniel ihr wenig Beachtung geschenkt, nun jedoch sah er das Aufblitzen von Stolz, als sie nickte. »Das war ich. Zusammen mit Herzog Rhius’ Vater habe ich der letzten Königin und nach ihr noch eine Zeit lang dem König gedient. Ich würde immer noch dienen – meinen Augen und meinem Arm mangelt es an nichts –, aber der König will keine Frauen in den Rängen sehen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Deshalb trefft Ihr mich hier an.«
»Aber warum ?«, beharrte Tobin und begann, an einer weiteren Rübe zu schnitzen.
»Vielleicht, weil Frauen nicht richtig kämpfen können«, meinte Sefus grinsend.
»Ich war drei von deiner Sorte wert, und dabei war ich gar nicht die Beste!«, herrschte Köchin ihn an. Sie ergriff ein Hackbeil und bearbeitete damit ein Stück Hammelfleisch, als wäre es ein plenimarischer Fußsoldat.
Arkoniel kannte Sefus’ selbstgefälliges Gebaren. In den letzten Jahren hatte er davon reichlich gesehen. »Frauen können wunderbare Kriegerinnen und Zauberinnen sein, wenn sie das Herz dafür und die richtige Ausbildung haben«, sagte Arkoniel zu Tobin. »Herz und Ausbildung; das braucht man bei allem, um gut darin zu sein. Erinnerst du dich daran, wie ich dir heute Morgen erzählt habe, dass ich nicht mehr schieße? Tja, ich war darin nicht besonders gut, ebenso wenig im Umgang mit dem Schwert. Als Krieger wäre ich niemandem nütze gewesen. Wenn Iya keinen Zauberer aus mir gemacht hätte, wäre ich heute wahrscheinlich Küchenjunge statt ein Gelehrter!« Er warf einen Seitenblick zu Sefus. »Vor nicht
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