Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
zog die Münze daraus hervor. Ein Ausdruck der Verwunderung breitete sich langsam auf ihren Zügen aus. »Beim Licht«, flüsterte sie. »Beim Licht! Arkoniel, so etwas habe ich noch nie gesehen! Hat Lhel dir das beigebracht?«
»Nein, das ist der Zauber, an dem ich gearbeitet habe, erinnerst du dich? Aber ich muss einräumen, dass ich mit einem ihrer Banne als Grundlage angefangen habe.« Er wob das Muster für den Fensterzauber in die Luft und ließ Iya durch die Öffnung einen Blick auf Nari und Köchin werfen, die am Küchenfeuer strickten. »Das war der Ausgangspunkt, aber ich habe diesen Bann ergänzt und verwende ihn anders.«
»Aber dein Finger …?«
Arkoniel ging zu seinem Schreibtisch und holte einen Wachsstock aus der Kerzenschatulle. Er wob den Zauber erneut, steckte den Wachsstock halb hinein und zeigte ihr den Stumpf, der davon übrig blieb. Iya griff in ihre Tasche und fand darin die fehlende Hälfte vor.
Erneut streckte er den Finger empor. »Hierbei war ich das einzige Mal unvorsichtig. Bisher jedenfalls.«
»Bei den Vieren, ist dir klar, wie gefährlich das ist? Wie groß kannst du diesen … diesen … Wie nennst du diese Dinger?«
»Pforten. Einige habe ich groß genug erschaffen, dass ein Hund hindurchgehen könnte, falls es das ist, worauf du hinauswillst, aber es klappt nicht. Ich habe es mit Ratten versucht, doch sie kommen am anderen Ende heraus, als wären sie durch eine Mangel gedreht worden. Kleine, feste Gegenstände hingegen reisen wunderbar hindurch. Stell dir nur vor, in der Lage zu sein, etwas binnen eines Lidschlags von hier nach Ero zu befördern! Etwas so Ehrgeiziges habe ich zwar noch nicht versucht, aber es müsste gehen.«
Iya blickte auf den Stumpen des Wachsstocks und die Münze hinab. »Du hast das doch Kaulin oder dem Jungen nicht beigebracht, oder?«
»Nein. Sie haben gesehen, wie der Zauber wirkt, aber nicht, wie er gewoben wird.«
»Das ist gut. Kannst du dir vorstellen, wie gefährlich er in den falschen Händen wäre?«
»Durchaus. Und er ist auch noch nicht vollkommen.«
Sie ergriff seine versehrte Hand. »Vielleicht war dies ein Segen. So hast du es für den Rest deines Lebens als Mahnmal vor dir. Aber ich bin stolz auf dich! Die meisten von uns verbringen ihr Leben nur damit, die von anderen erschaffene Magie zu erlernen, ohne je selbst etwas Neues zu erfinden.«
Arkoniel setzte sich wieder und nippte an seinem Wein. »Eigentlich habe ich das Lhel zu verdanken. Ohne die Dinge, die sie mir gezeigt hat, wäre ich nie dahintergekommen, wie es gehen kann. Außerdem hat sie mir eine Menge über Blutmagie beigebracht. Wundervolle Dinge, Iya, fernab von Totenbeschwörerei. Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Denkweisen über das Hügelvolk zu verwerfen und von diesen Leuten zu lernen, bevor sie alle aussterben.«
»Vielleicht, aber würdest du wirklich jemandem mit der Art von Macht über die Toten vertrauen, die sie besitzt?«
»Nicht alles, was sie kann, ist so geartet.«
»Ich weiß, aber dir ist genauso bekannt wie mir, dass es durchaus Gründe für ihre Vertreibung gab. Du darfst dich von deiner Zuneigung für eine Hexe nicht blind für den ganzen Rest machen lassen. Lhel wird schon gewusst haben, weshalb sie dir die dunkle Seite ihrer Macht nicht gezeigt hat, aber glaub mir, es gibt sie. Ich habe sie ge spürt. Und dennoch, was du hier vollbracht hast, ist wunderbar.« Iya berührte ihn an der Wange, und ein Anflug von Traurigkeit schlich sich in ihre Stimme. »Und du wirst noch mehr erreichen. So viel mehr. Und nun erzähl mir von Wythnir. Er scheint dir ans Herz gewachsen zu sein.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Soweit Nari und ich in Erfahrung bringen konnten, war sein frühes Leben ähnlich wie das der Kinder unten. Aber du würdest nicht glauben, wie rasch er alles verinnerlicht, was ich ihm zeige.«
Sie lächelte. »Und wie gefällt es dir, einen eigenen Lehrling zu haben?«
»Lehrling? Nein, nein, er ist mit Kaulin gekommen. Er gehört zu ihm.«
»Nein, zu dir. Das habe ich in dem Augenblick erkannt, als er dich unten in der Halle ansah.«
»Aber ich habe ihn mir nicht ausgesucht, ich habe bloß …«
Iya lachte und tätschelte ihm das Knie. »Dann höre ich hiermit zum ersten Mal davon, dass sich ein Lehrling seinen Meister ausgesucht hat, aber ob du und Kaulin es erkannt haben oder nicht, er gehört zu dir. Lass ihn nicht im Stich, mein Lieber. Er wird ein großartiger Zauberer werden.«
Arkoniel nickte bedächtig. So hatte er
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