Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
er Lhels braunen Hals mit Ethnis glatten, weißen verglich und die Fältchen um die Augen der Hexe nachfuhr. Wann waren sie so zahlreich und so tief geworden? Traurig und beschämt über sich zog er sie an sich, vergrub das Gesicht in ihrem Haar und versuchte, nicht darauf zu achten, wie viel grauer es mittlerweile war.
»Du bist nicht mein Ehemann«, murmelte Lhel und kraulte ihm den Rücken. »Und ich bin nicht deine Gemahlin. Wir sind beide ungebunden.«
Arkoniel wollte in ihren Zügen lesen, aber sie drückte seinen Kopf zurück auf ihre Brust und streichelte ihn in den Schlaf. Als er eindöste, kam ihm der Gedanke, dass sie beide trotz all der Leidenschaft, die sich in diesem Eichenheim abgespielt hatte, nie von Liebe gesprochen hatten. Lhel hatte ihm das Wort dafür in ihrer Sprache nie beigebracht.
K APITEL 29
Tobin feierte seinen vierzehnten Namenstag in Atyion, und Herzog Solari sorgte dafür, dass es ein prunkvolles Ereignis wurde. Tatsächlich weit prunkvoller, als Tobin lieb war; er wäre über einen kleinen Jagdausflug zur Feste mit nur den Gefährten und ein paar Freunden viel glücklicher gewesen, doch Iya hatte ihn davor gewarnt, dorthin zu reisen. Weshalb, wollte sie nicht preisgeben, und Tobins alter Groll gegen die Zauberin war wieder aufgekeimt. Letzten Endes aber hatte sich sogar Tharin auf ihre Seite geschlagen, und Tobin hatte sich widerwillig gefügt.
Trotz allem freute er sich, Atyion erneut zu besuchen. Die Bewohner der Ortschaft versammelten sich, um ihn zu begrüßen, und Tobin war entzückt darüber, so viele Gesichter in der Menge zu erkennen.
Sogar die Katzen des Schlosses schienen glücklich darüber, ihn wiederzuhaben. Ganze Rudel scharten sich, wo immer er Platz nahm, schmiegten sich um seine Beine und rollten sich auf seinem Schoß ein. Lytias orangefarbener Kater Ringelschweif schlief jede Nacht ausgestreckt zwischen Tobin und Ki und folgte Tobin durch das Schloss. Allerdings konnte das Tier Bruder nicht ertragen. Wenn Tobin den Geist heimlich rief, huschte Ringelschweif unter die Möbel und knurrte und fauchte, bis Bruder wieder verschwand.
Zu Tobins großer Erleichterung kam der König nicht zum Namenstagsfest. Solari zeigte sich darüber enttäuscht, dennoch gelang es ihm, den großen Saal mit Gästen zu füllen. An den Ehrentischen saßen dicht gedrängt Fürsten, die Tobin kaum kannte – vorwiegend Solaris Hauptmänner und Gefolgsleute –, aber weiter außen sangen Soldaten mit den Farben Atyions und brachten brüllend Trinksprüche auf Tobins Gesundheit aus. Als Tobin den Blick über das Meer der Gesichter wandern ließ, war ihm nur allzu bewusst, wer nicht unter den Anwesenden weilte. Von Una hatte man seit ihrem Verschwinden nichts mehr gehört, und auch Arengil war fort; ihn hatte man wenige Tage nach der peinlichen Begebenheit auf dem Dach heimwärts nach Aurënen geschickt. Erst Wochen später drang über Palastgerüchte zu Tobin durch, dass man den jungen, fremdländischen Fürsten als schlechten Einfluss erachtet hatte.
In diesem Jahr gab es unzählige Geschenke, und ein großer Haufen stammte von den Menschen der Ortschaft. Die meisten kamen von Händlern und stellten den Absender dar: ein feines Paar Handschuhe vom Handschuhmacher, Fässer mit Ale vom Brauer und so weiter. Den Großteil davon bedachte Tobin nur mit einem flüchtigen Blick, bis Ki eine große Schriftrolle aus dem Stapel hervorzog und sie seinem Freund grinsend reichte. Als Tobin sie entfaltete, fand er eine wunderschön verzierte Ballade über seinen Vater darin vor. Die Ränder schmückten aufwendig gemalte Kampfbegebenheiten. Aus der Schriftrolle war ein kleineres Stück Pergament gefallen; es enthielt eine kurze, aber überschwängliche Botschaft von Bisir, der mit seinem neuen Beruf äußerst glücklich war.
Tobin und die Gefährten blieben zwei Wochen im Schloss. Wann immer es ihm und Ki gelang, sich davonzustehlen, besuchten sie Tharins Tante Lytia und Harkone. Der Zustand des greisen Verwalters hatte sich über den Sommer verschlechtert, und sein Verstand schwächelte zunehmend. Diesmal ließ er sich die Einbildung nicht ausreden, dass Tobin und Ki der junge Rhius und Tharin seien, was die beiden als recht beunruhigend empfanden.
Tobin wurde außerdem üppig von den wichtigsten Gildenmeistern der Ortschaft unterhalten. Die meisten dieser Bankette erwiesen sich als langweilig. Seine Gastgeber gebärdeten sich ausnahmslos liebenswürdig und freigiebig, doch er spürte, dass
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