Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Hause zu sein, und noch mehr freute ihn, dass seine Brüder gut über Tobin sprachen.
Im Bett eingezwängt zwischen Nikides und Urmanis lauschte Tobin den älteren Jungen, die damit prahlten wie viele Banditen sie am nächsten Tag töten würden. Wie immer erklang Korins Stimme am lautesten. Mit einem Auge beobachtete Tobin die Tür, um auf Kis Rückkehr zu achten. Als er des Wartens schließlich überdrüssig wurde, begab er sich auf die Suche nach ihm.
Abgesehen vom Schimmer des Feuers aus dem Kamin herrschte in der Halle Dunkelheit. Er wollte gerade nach oben zurückgehen, als jemand flüsterte: »Ki is' draußen, falls Ihr nach ihm sucht's, Hoheit.«
»Danke.« Behutsam bahnte er sich durch die Haufen der Schlafenden einen Weg zur Küche und weiter hinaus auf den stinkenden Hof. Der Himmel war wolkenlos, die Sterne wirkten groß wie Lercheneier. Fackeln brannten an der Brüstung, und er sah Wachen, die den Wehrgang abschritten. Tobin steuerte gerade auf das Hoftor zu, als er zwei Gestalten auf der Ladefläche des verwahrlosten Karrens erspähte.
»Ki?«, flüsterte er.
»Geh ins Bett, Tob. Es ist kalt hier draußen.«
Tobin kletterte auf den splitterigen Sitz neben ihn. Es war Tharin, der ihm Gesellschaft leistete und mit den Ellbogen auf den Knien dort hockte. Plötzlich fühlte sich Tobin wie ein Störenfried, aber er wollte nicht zurück hinein. »Was ist denn los?«
Ki schnaubte rau. »Das hast du ja gesehen.« Er deutete auf die Feste, auf den Hof – wahrscheinlich auf alles. »Das ist es, wo ich herkomme. Glaubst du, die anderen werden mich das je vergessen lassen?«
»Tut mir leid. Ich hätte nie gedacht, dass es so sein würde. Ich dachte …«
»Ja? Tja, du hast nicht mit meiner Sippschaft gerechnet.«
»Er war eine ganze Weile fort«, meinte Tharin leise.
»So schlimm sind sie nicht – einige von ihnen. Ich mag deine Brüder, und dein Vater ist ein zäher alter Krieger, das merkt man.«
»Er ist alt geworden, während ich weg war. Ich habe ihn noch nie so gebrechlich gesehen, halb blind. Fünf Jahre sind eine lange Zeit, Tob. Wenn ich sie alle heute so ansehe, frage ich mich unweigerlich, wer ich bin.«
»Du bist, was du aus dir gemacht hast«, sagte Tharin voll Überzeugung. »Das habe ich ihm gerade erklärt, Tobin. Manche werden adelig geboren, besitzen aber nicht das Herz, um ein Mann zu sein. Andere – wie Ki – kommen unabhängig von den Umständen mit einem edlen Kern zur Welt. Ihr habt beide meine Familie kennen gelernt. Sie war nicht viel anders als deine, Ki, aber Rhius hat mich geformt, und heute stehe ich erhobenen Hauptes neben jedem Hochwohlgeborenen. Du bist aus demselben Holz geschnitzt. Es gibt auf dem ganzen Palatin keinen Jungen, neben dem ich morgen lieber kämpfen möchte.« Tharin drückte ihnen beiden kurz die Schulter, dann kletterte er vom Karren. »Bring ihn bald rein, Tobin. Ihr braucht beide etwas Schlaf.«
Tobin blieb bei Ki und dachte an seine eigene Heimkehr nach Atyion. Er hatte aufrichtig gedacht, Ki würde hier eine ähnliche Begrüßung erwarten. Aber die Feste war schrecklich, das ließ sich nicht leugnen. Hatte der König dies gewusst, als er sie vorschlug?
Da ihm die Worte fehlten, suchte er stattdessen Kis Hand und ergriff sie. Ki brummte und stieß mit der Schulter gegen die seine. »Ich weiß, dass du nicht schlechter von mir denkst, Tob. Würde ich etwas anderes vermuten, ich würde noch heute Nacht durch dieses Tor davonreiten und nie zurückschauen.«
»Nein, würdest du nicht. Sonst entginge dir der Kampf morgen. Und Ahra wird auch dabei sein. Was glaubst du wohl, dass sie tun würde, wenn du davonläufst?«
»Stimmt. Ich schätze, vor ihr fürchte ich mich tatsächlich mehr als vor jedem Gefährten.« Schließlich stand er auf, ließ den Blick über den Hof wandern und kicherte. »Na ja, es könnte schlimmer sein.«
»Wie das?«
Kis Grinsen blitzte in der Dunkelheit auf. »Ich könnte der Erbe von all dem sein.«
K APITEL 33
Es war noch dunkel, als Tharin und Porion die Jungen weckten, aber Tobin spürte den Zug einer morgendlichen Brise durch das offene Fenster. Als sie sich ankleideten, schwang niemand prahlerische Reden. Tobins Augen begegneten jenen Kis, als sein Freund ihm ins Kettenhemd half, und er sah darin seine eigene Aufregung und Furcht widerspiegelt. Bereits beim Anziehen des Wappenrocks schwitzte er.
Als sie sich zum Gehen wandten, sah er, dass Korin neben dem Pferdeamulett, das er für ihn angefertigt
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