Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
sie hatte meucheln lassen. »Na ja, jedenfalls bin ich verdammt froh, dass du hier bist! Hast du schon jemanden getötet?«
»Ja. Du warst ein guter Lehrer.« Sie zögerte und sah ihm in die Augen. »Also hasst du mich nicht?«
»Warum sollte ich dich hassen?«
»Immerhin war es meine Idee, die Mädchen zu unterrichten. Vater sagte, du wärst deshalb in schrecklichen Schwierigkeiten, und ich habe gehört, dass Arengil deswegen zurück nach Aurënen geschickt wurde.«
»Natürlich hasse ich dich nicht. Es war nicht deine Schuld.«
»Aufsteigen!«, rief Korin.
Tobin erfasste ihre Hand mit dem Kriegergriff. »Bei Sakors Flamme, Una. Ki muss ich es erzählen!«
Una grinste und salutierte vor ihm. »Ich werde dir den Rücken decken, mein Prinz.«
Sie gaben einen wackeren Anblick ab, als sie mit ihren Bannern an den Fackeln vorbeiritten, doch selbst hatten sie keine Lichter dabei. Innis und Ahra übernahmen die Spitze und führten sie das Tal entlang, während die Sterne allmählich blasser wurden. Amin und Dimias begleiteten den Tross, und Tobin bewunderte unweigerlich, wie selbstsicher sie im Sattel saßen. Tharin und Hauptmann Melnoth bildeten die Nachhut.
Nach ein paar Meilen verließen sie die Straße und bewegten sich querfeldein durch Stoppelfelder und noch in kalten Nebel gehüllte Wäldchen. Den ersten Weiler erreichten sie, als es noch zu dunkel war, um über den Palisadenzaun hinweg mehr als ein paar Reetdächer auszumachen. Als sie sich jedoch näherten, stieg ihnen ein vertrauter Geruch in die Nase – der von Asche und verbranntem Schweinefleisch, den sie von den Feldern mit Scheiterhaufen nahe Ero kannten.
»Banditen?«, fragte Korin.
»Nein«, antwortete Ahra. »Dieses Dorf hat die Pest heimgesucht.«
Etwas weiter allerdings gelangten sie zu den Überresten einer Ortschaft, die von Banditen niedergebrannt worden war. Der Himmel war von indigoblau zu grau übergegangen und hell genug für Tobin, um den zerbröckelten, schwarzen Stumpen eines Steinkamins und eine Holzpuppe in einem Graben zu erkennen.
»Das is' vor'n paar Wochen geschehn«, klärte Innis sie auf. »Die Männer haben's umbracht und dagelassen, aber es warn keine Frauen oder Mädchen zum Finden.«
»Wenn sie die Mädchen geraubt haben, wollen sie sich längerfristig in der Gegend niederlassen«, meinte Tharin und schüttelte den Kopf. »Wie weit ist es noch?«
Innis deutete auf die bewaldeten Hügel vor ihnen, wo sich über den Bäumen ein paar dünne Rauchsäulen abzeichneten.
Tobin malte sich aus, wie die gefangenen Frauen dort Frühstück zubereiteten, und schauderte.
»Keine Sorge, wir bringen die Frauen wohlbehalten zurück«, sagte Korin.
Innis zuckte mit den Schultern. »Hat jetzt nich' mehr viel Sinn, oder?«
»Ach, jetzt sind sie wohl verdorbene Ware, wie? Du würdest sie einfach ihrem Schicksal überlassen, richtig?«, knurrte Ahra.
Innis deutete mit dem Daumen zurück auf die dem Erdboden gleichgemachten Häuser. »Sie können nirgendwohin mehr zurück.«
Mit finsterer Miene übernahm Ahra die Spitze. Sie bogen nach Westen und folgten einem Wildpfad in den Wald.
»Kein Wort mehr, niemand. Nach hinten weitersagen«, flüsterte sie. Dann raunte sie Korin und den anderen unmittelbar hinter ihr zu: »Achtet nach Möglichkeit darauf, dass Eure Waffen nicht rasseln. Es sind zwar noch ein paar Meilen, aber wir wollen sie nicht vorwarnen, falls sie Wachen aufgestellt haben.«
Alle überprüften ihre Scheiden und Bogen. Tobin beugte sich hinab, steckte das lose Ende von Gosis Bauchgurt unter den Sattelrand und klemmte es mit dem Schenkel fest. Hinter ihm tat Ki auf Drache dasselbe.
Über dem Tal ging mittlerweile die Sonne auf, dennoch herrschte zwischen den Bäumen nach wie vor fast nächtliche Dunkelheit. Alte Tannen ragten rings um sie auf, und umgestürzte Bäume übersäten das felsige Gelände.
»Kein guter Untergrund für einen berittenen Angriff, was?«, meinte Korin leise zu Ahra.
»Nein, aber gut für einen Hinterhalt. Soll ich Späher aussenden?«
»Wir gehen«, meldete sich Dimias freiwillig.
Aber Ahra schüttelte den Kopf und schickte zwei ihrer eigenen Leute los.
Tobin setzte sich aufrechter in den Sattel und suchte die Schatten auf Anzeichen von Wachen ab. Er verspürte keine richtige Angst, aber es fühlte sich an, als befände sich unter seinem Herzen eine Leere.
Als er sich umsah, vermutete er, dass die anderen ähnlich empfanden. Korins Antlitz bildete unter dem Helm eine verkniffene Maske,
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