Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Innis kann Euch hinführen, falls Ahra nicht kommt. Es gibt einen Pfad, über den Ihr an ihre Flanke gelangt. Wenn Ihr nachts hinaufreitet, sind sie vielleicht zu betrunken, um Euch zu hören. Beim ersten Tageslicht könnt Ihr Euch auf sie stürzen.« Er musterte Korin mit zusammengekniffenem Auge. »Wie viele erfahrene Männer habt Ihr?«
»Vierzig.«
»Tja, haltet sie dicht bei Euch, Hoheit. Diese Banditen sind ein hartgesottener Haufen. Sie haben in diesem Winter die Hälfte der Dörfer im Tal überfallen und sich mit einer beträchtlichen Zahl von Frauen davongemacht. Ich bin hinter ihnen her, seit ich hier eintraf, und sie haben uns das Leben ganz schön schwer gemacht. Hab die Männer selbst angeführt, bis sich mein Fuß entzündet hat.« Abermals starrte er Korin an, dann schüttelte er den Kopf. »Nun ja, behaltet diese Männer auf jeden Fall dicht bei Euch, hört Ihr? Ich will diesen Brief hier nicht mit Eurer Asche beantworten müssen.«
»Wir hatten die beste Ausbildung in ganz Skala, Herr«, gab Korin steif zurück.
»Das bezweifle ich nicht, Hoheit«, sagte der alte Mann düster. »Aber es gibt keine Ausbildung, die dem gleichkommt, was einen am spitzen Ende eines Schwertes erwartet.«
Als sie sich in jenem trostlosen Haus zur Nachtruhe begaben, wünschte Ki, Tobin hätte sich nie für ihn eingesetzt. Wäre sein Vater nicht geadelt worden, wäre dem König nie in den Sinn gekommen, die Gefährten zu ihm zu senden. Es schien ein ganzes Leben zurückzuliegen, seit er zuletzt unter seinen Angehörigen geweilt hatte; ihm war nicht klar gewesen, wie sehr er sich verändert hatte, bis er sie wiedergesehen und bemerkt hatte, wie sie ihn anstarrten. Sogar Amin und Dimias hatten unten am Feuer neidische Blicke auf ihn geworfen. Die jüngeren Kinder, zumindest jene, die sich an ihn erinnerten, freuten sich, ihn zu sehen, und bettelten ihn um Geschichten über die Stadt an. Seine kleinen Halbschwestern und -brüder und ihre unehelichen Geschwister umwuselten jeden, der dafür stillhielt, wie kleine Eichkätzchen, untere anderem Korin, der es dankenswerterweise gutmütig über sich ergehen ließ. Was immer Ki von ihm halten mochte, er besaß ein Gespür für den Umgang mit Menschen, wenn er wollte. Und Ki wurde sogar ein Augenblick wahrer Freude zuteil, als ein Wickelkind mit vollgekacktem Hintern auf Albens Schoß geklettert war.
Allerdings wog dies den Rest nicht auf. Nun wussten alle Gefährten, wie sehr er in der Tat ein Wald- und Wiesenritter war. Beim Anblick seines Vaters und der armen Sekora in ihren schmutzigen Prunkgewändern wäre Ki vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. »Man kann ein Schwein in Seidenschuhe stecken, aber tanzen wird es deswegen nicht«, hatte sein Vater oft über Leute zu sagen gepflegt, die sich seiner Ansicht nach überschätzten. Noch nie hatte Ki die Bedeutung des Sprichworts so klar verstanden.
Ein Großteil der Angehörigen des Haushalts ging mit der Sonne zu Bett. Die jüngsten Kinder schliefen immer noch in willkürlichen Haufen mit den Hunden und Katzen auf dem Boden. Innis und die älteren Jungen blieben auf, leisteten den Gefährten bei weiterem grauenhaftem Wein Gesellschaft und unternahmen den planlosen Versuch, gastfreundlich zu wirken. Innis, das vierte eheliche Kind nach Ahra, war ein geistig träger Stier von einem Mann, so schweigsam, dass es an Unhöflichkeit grenzte. Er hatte von jeher mehr Begabung als Schmied denn als Kämpfer gezeigt. Deshalb und wegen seines verkrüppelten Fußes war er am heimatlichen Herd behalten worden, um den Haushalt zu verwalten, als die anderen in den Krieg zogen. Sowohl Amin als auch Dimias hatten während der letzten Gefechte als Botenjungen gedient, und es war unverkennbar, dass Innis ihnen ihr Glück ebenso wenig verzeihen würde wie Ki das seine.
Korin machte das Beste aus der Lage. Er trank einen Becher des miesen Weins nach dem anderen und lobte ihn, als wäre es ein edler kallilanischer Roter. Er scherzte mit Amin und entlockte sogar Innis ein Grinsen, indem er ihn zum Armdrücken herausforderte und verlor. Caliel bezahlte ihren Gastpreis, indem er ein paar Lieder anstimmte, was die Stimmung für eine Weile hob. Doch Ki war sich nur allzu bewusst, welche verstohlenen Blicke Alben, Mago und ihre Freunde auf ihn warfen, und wie sie grinsten, wenn Sekora unbeholfen versuchte, die Gastgeberin zu spielen. Sie war immer freundlich zu Ki gewesen, und er wäre Arius um ein Haar angesprungen, als er ihr eine barsche
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