Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
weiteren Gefährten Korins Garde, Unterhaltungskünstler, Pferde und eine kleine Armee von Bediensteten und Handwerkern befördern, und ein Schiff wurde ausschließlich mit Vorräten für den gesamten Tross beladen. Sie würden fast ein Jahr unterwegs sein.
»Na ja, es ist nicht dasselbe, wie in den Krieg zu ziehen«, meinte Ki, »aber zumindest kommen wir dadurch aus der Stadt.«
Das Feuerwerk schillerte noch am Himmel, als sie hörten, wie jemand unter ihnen die Balkontreppe heraufgerannt kam.
»Prinz Tobin! Wo seid Ihr, Herr?«, rief eine dünne, panische Stimme.
»Hier, Baldus! Was ist denn los?«
Ein grell-weißes Aufflammen am Himmel erhellte das bleiche Antlitz des Pagen, als er sie erreichte. »O bitte, kommt sofort mit nach unten. Es ist schrecklich!«
Tobin packte ihn an den Schultern. »Was? Ist jemand verletzt?«
»Aliya!«, stieß Baldus hervor, außer Atem und unverkennbar aufgewühlt. »Ihre Zofe sagt, sie sei krank. Prinz Korin ist außer sich vor Sorge!«
Tobin raste zur Treppe. Erst, als er zum beleuchteten Gang unten gelangte, wurde ihm klar, dass Caliel ihm gefolgt war. Beide sprachen kein Wort, während sie durch die endlosen Flure und Höfe zu Korins Gemächern liefen. Als sie um die letzte Ecke bogen, stießen sie beinah mit einem Mann in der Livree von Herzog Cygna zusammen. Hinter ihm harrte eine Gruppe Adeliger vor der Tür des Prinzen aus.
»Talmus, was ist geschehen?«, verlangte Caliel zu erfahren.
Der Diener war kalkweiß. »Meine Herrin … die Prinzessin, Herr! Sie ist krank. Sie blutet.«
Caliel ergriff Tobins Arm. »Sie blutet?«
Tobin erstarrte. »Ist es die Pest?«
Talmus schüttelte den Kopf. »Nein, Hoheit, nicht die Pest. Die Drysier sagen, sie verliere das Kind.«
Tobin ließ sich auf eine der Treppen plumpsen, die den Gang säumten, zu benommen und betrübt, um etwas zu sagen.
Caliel setzte sich neben ihn, und sie lauschten dem Weinen der Frauen weiter unten im Flur. Vereinzelt ertönte dazwischen ein gedämpfter Schrei hinter der Tür hervor.
Bald traf auch der König ein. Sein Gesicht war vom Wein gerötet, doch seine Augen wirkten klar. Er fegte an Tobin vorbei, und die Menge an der Tür teilte sich für ihn, als er hineinging. Als sich die Tür öffnete, vermeinte Tobin auch Korin weinen zu hören.
Der Morgen graute, bevor es vorüber war. Aliya überlebte, das Kind jedoch nicht. Die Drysier murmelten danach, dies sei ein Segen des Erschaffers gewesen, denn das winzige Kind, nicht größer als ein Molch, hatte weder ein Gesicht noch Arme besessen.
T EIL D REI
Auszug aus Oriena ä Danus von Khatmes
Abhandlung über fremdländische Magien
Die Ursprünge der so genannten Dritten Orëska Skalas bleiben geheimnisumwittert, wenngleich kaum Zweifel daran besteht, dass sie ihre Wurzeln in einem losen Bund hatten, der irgendwann während der Herrschaft von Erius, dem Priestermörder, entstand, dem Sohn von Agnalain, der Wahnsinnigen.
Zauberei war zu jener Zeit in Skala bereits weit verbreitet und galt als das unvorhergesehene – und der Ansicht vieler nach unglückliche – Ergebnis der Vermischung unser beider Rassen. Doch die Kräfte der Zauberer Skalas waren den unseren größtenteils unterlegen und hatten durch den Verlust so vieler ihrer mächtigeren Magier während des Krieges gegen die Totenbeschwörer zusätzlich gelitten.
Manche Gelehrte gehen davon aus, dass die Hand Auras unter den Skalaner wirkte. Wie sonst ist der Aufstieg einer Generation von Strauchhexern und Beschwörern nicht nur zu einer Einheit, sondern zu wahrer Macht zu erklären? Dennoch hinterfrage ich, weshalb diese neu begründeten Kräfte in den folgenden Jahrhunderten eine solch erschreckend andere Form angenommen haben. Die Dritten Orëska lehnen entschieden jegliche Form von Totenbeschwörerei ab, und die Grundsätze ihrer großen Schulen ächten derlei Lehren, dennoch habe ich mit eigenen Augen bezeugt, wie sie Blutmagie verwenden, und Fälle von Zwiesprache mit den Toten sind keineswegs unbekannt. Wie Aden í Solun von Lhapnos im dritten Band seines Werkes Geschichte festhielt: »Ungeachtet der Bande des Handels und der Geschichte zwischen unser beider Länder darf man nie vergessen, dass Skala im Verlauf der frühen Geschichte des Reichs Plenimar gegenüberstand, nicht Aurënen.«
Seit meinem Aufenthalt in der Hauptstadt kann ich mich für die berühmte Gastfreundschaft des Hauses der Orëska verbürgen, doch der geheimnisumwitterte Schleier verbleibt; die Namen
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