Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
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Korin und die Gefährten kehrten mit den Herbstregenfällen nach Ero zurück und waren überglücklich darüber, dass Lutha und Barieus sie am Kai erwarteten, um sie zu begrüßen, als sie in den Hafen segelten. Lutha war nicht nur genesen, sondern auch volle drei Zoll gewachsen.
»Es ist mir gut bekommen, fast zu sterben«, meinte er und lachte, als sich alle erstaunt über seinen Wachstumsschub zeigten. »Nur mit dir kann ich anscheinend nicht Schritt halten, Tobin.«
Tobin grinste verlegen. Er war im vergangenen Jahr so schnell gewachsen, dass neue Kleider für ihn angefertigt werden mussten. Mittlerweile hatte er Korins Größe erreicht, doch obwohl sein fünfzehnter Namenstag demnächst bevorstand, war er immer noch zierlich und bartlos, womit ihn die anderen gnadenlos aufzogen.
Tobin bemühte sich stets, mit ihnen darüber zu lachen, innerlich jedoch fühlte er sich zunehmend entsetzter. All seine Freunde wurden sichtbar zu Männern. Ki besaß breitere Schultern und trug neuerdings einen dünnen Schnurrbart und einen schmalen Kinnbart, eine Mode, die Korin im Frühling vorgegeben hatte. Nikides und Lutha wiesen beide so genannte ›Doppelpfeile‹ auf, ansehnliche Punkte seidigen Haars über den Mundwinkeln.
Sogar Bruder hatte sich verändert. Er und Tobin hatten einander immer fast wie ein Ei dem anderen geglichen, doch im vergangenen Jahr hatte auch Bruder ein männlicheres Aussehen angenommen und hatte nun so breite Schultern wie Ki. Ein schwarzer Flaum zierte seine Oberlippe und die Mitte seiner Brust, während jene Tobins so glatt wie die eines Mädchens blieben.
Im Verlauf des Sommers ertappte er sich dabei, Ausreden zu erfinden, um nicht mit den anderen baden zu gehen; trotz seiner neuen Größe nahm sich Tobin im Vergleich zu den meisten nach wie vor wie ein Kind aus.
Schlimmer noch, es fiel ihm schwer, nicht auf die wohlgeformten Körper und Gemächte zu starren. Auch Ringkämpfe, eine Ertüchtigung, die er stets genossen hatte, seit er den Gefährten beigetreten war, riefen nunmehr beunruhigende Gefühle in ihm wach, vor allem mit Ki.
Tharin hatte einen Teil des Problems erahnt, als sich Tobin eines heißen Tages im Lenthin an Deck herumgedrückt hatte. Alle anderen befanden sich am Ufer und schwammen in einer Bucht, aber Tobin war unter dem Vorwand, Kopfschmerzen zu haben, an Bord geblieben. Sogar Ki hatte ihn zurückgelassen.
»Ich war in deinem Alter auch ein dürrer Bengel«, meinte Tharin freundlich und setzte sich im Schatten eines Segels zu ihm. »Es kann sich nur noch um Tage handeln, bis du Haare auf der Lippe und Muskeln wie ein Ringer bekommst.«
»War es bei meinem Vater auch so?«, fragte Tobin.
»Na ja, Rhius wuchs schneller, aber du könntest nach der Seite deiner Mutter geraten. Ihr Vater war ein schlanker Mann, aber stark wie du.« Anerkennend drückte er Tobins Oberarm. »Du bist hart und sehnig, genau wie er. Und flink wie eine Katze. Ich habe gesehen, wie du dich gestern unter Zusthras Deckung hinweggeduckt hast. Schnelligkeit kann Masse jederzeit aufwiegen, wenn man klug ist. Und das bist du.«
Nichts davon bewirkte, dass sich Tobin besser fühlte. Er konnte Tharin nicht von den Mondschmerzen erzählen, die ihn immer regelmäßiger heimsuchten. Obwohl er die Wahrheit kannte, wähnte er sich zurückgelassen. Kein Wunder, dass alle Mädchen aufgehört hatten, ihm schöne Augen zu machen.
Daran liegt es nicht, flüsterte eine leise, geheime Stimme tief in seinem Herzen. Sie wissen es. Sie spüren es.
Tobin wusste, was über ihn und Ki gemunkelt wurde – ein Gemunkel, dem sie aus eigenen Gründen keine Beachtung schenkten. Aber irgendwann im Sommer hatte sich etwas verändert, ohne dass er es bemerkt hatte; etwas, worüber er nicht nachzudenken wagte, wenn Ki in der Nähe war, weil er fürchtete, es könnte sich in seinem Gesicht zeigen.
Ki liebte ihn so sehr wie eh und je, aber es bestand kein Zweifel daran, in welche Richtung seine fleischlichen Gelüste wiesen. In Ero hatten ihn einige der Dienstmädchen zu sich ins Bett gelassen, und auf der Reise hatte es weitere Gelegenheiten gegeben. Ki war gut aussehend und ungezwungen; Mädchen fühlten sich zu ihm hingezogen wie Katzen zu Sahne. Und er war nicht darüber erhaben, den anderen Jungen gegenüber mit seinen Errungenschaften zu prahlen.
Tobin schwieg während solcher Unterhaltungen stets; die Zunge schien im am Gaumen festgewachsen. Tobin ist wie üblich mal wieder schüchtern, dachten alle, und wohl auch
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