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Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Titel: Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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versperrt, der Messinggriff vor Verwahrlosung beschlagen. Tobin rüttelte am Riegel und fragte sich, ob Nari immer noch den Schlüssel hatte. Während er dort stand, erinnerte er sich daran, wie sehr er sich früher immer gefürchtet hatte, wenn er sich vorgestellt hatte, dass ihn der zornige Geist seiner Mutter durch das Holz hindurch anstarrte. Nun war es für ihn nur eine Tür.
    Ein Anflug von Sehnsucht überkam ihn. Tobin lehnte die Stirn an das glatte Holz und flüsterte: »Bist du da, Mutter?«
    »Tobin?«
    Er zuckte zusammen, doch es war nur Ki am Kopf der Treppe.
    »Da bist du ja. Köchin möchte, dass du die Suppe kostest, und du bist noch nicht umgezogen – sag, was ist denn?«
    »Nichts. Ich habe mich nur umgesehen.«
    Natürlich durchschaute Ki die Lüge. Er näherte sich und strich behutsam mit den Fingern über das Holz. »Das hatte ich ganz vergessen. Ist sie da drin?«
    »Ich glaube nicht.«
    Ki lehnte sich neben ihm an die Wand. »Vermisst du sie?«
    Tobin zuckte mit den Schultern. »Eigentlich dachte ich das nicht, aber ich habe mich gerade daran erinnert, wie sie an den guten Tagen war, bevor … Na ja, vor jenem letzten Tag. Fast wie eine richtige Mutter.« Er zog den Ring hervor und zeigte Ki den Seitenriss seiner Mutter. »So hat sie ausgesehen, bevor Bruder und ich geboren wurden.«
    Ki sagte nichts. Stattdessen berührte er mit der Schulter jene Tobins.
    Tobin seufzte. »Ich habe nachgedacht. Ich werde die Puppe dort oben lassen.«
    »Aber sie hat doch gesagt, du sollst sie behalten, oder?«
    »Ich brauche die Puppe nicht mehr. Er findet mich auch so, ob ich sie bei mir habe oder nicht. Ich bin es leid, Ki – leid, sie zu verstecken, ihn zu verstecken.« Und mich selbst zu verstecken, dachte er, verkniff sich die Worte jedoch. Er sah sich um und stieß ein halbherziges Lachen aus. »Es ist lange her, seit wir zuletzt hier gewesen sind, oder? So erinnere ich mich gar nicht an den Ort. Damals erschien mir alles so groß und dunkel, selbst nachdem du hergekommen warst, um hier zu leben.«
    »Wir sind gewachsen.« Grinsend zog Ki seinen Freund mit sich. »Komm jetzt, ich beweise es dir.«
    Nari hatte ihr altes Schlafzimmer so belassen, wie es gewesen war; neben der Tür setzten die Spielzeugstadt und einige kindliche Skulpturen Staub an. Die Kettenrüstung, die Tobins Vater ihm geschenkt hatte, hing immer noch auf ihrem Gestell in der Ecke.
    »Nur zu«, ermutigte ihn Ki. »Du hast sie seit einer Ewigkeit nicht mehr anprobiert.«
    Tobin zog sich das Kettenhemd über den Kopf und betrachtete mit düsterer Miene sein Spiegelbild im Glas. »Vater hat gesagt, wenn mir diese Rüstung passt, bin ich alt genug, um mit ihm in den Krieg zu reiten.«
    »Tja, jetzt bist du groß genug«, meinte Ki.
    Das stimmte, aber Tobin war immer noch zu zierlich. Die Schulterteile des Kettenhemds hingen ihm halb bis zu den Ellbogen hinab, und die Ärmel überragten seine Fingerspitzen. Die Bundhaube rutschte ihm ständig über die Augen herab.
    »Du füllst sie bloß noch nicht ganz aus.« Ki stülpte Tobin den alten Helm über den Kopf und klopfte mit den Knöcheln dagegen. »Wenigstens der passt. Nun mach schon ein fröhlicheres Gesicht, um Himmels willen! Der König hat gesagt, er lässt uns entlang der Küste patrouillieren, wenn wir zurück sind. Besser Seeräuber und Banditen als gar keine Kämpfe, oder?«
    »Kann sein.« Tobin erhaschte aus dem Augenwinkel eine Bewegung, drehte sich um und entdeckte Bruder, der ihn aus den Schatten beobachtete. Er trug eine ähnliche Rüstung, ihm jedoch passte sie. Tobin nahm das Kettenhemd ab und hängte es über das Gestell. Als er wieder in Bruders Richtung schaute, war der Geist verschwunden.
     
    Zum ersten Mal in Tobins Leben war die große Halle gefüllt mit Kameraden, Jagdgehilfen, Musik und Gelächter. Ein warmes Feuer knisterte im Kamin, erhellte die ringsum aufgestellten Tische und warf Schatten auf die bemalten Wände. Gaukler stolzierten zwischen den Tischen umher, und die Spielmannsgalerie auf der gegenüberliegenden Seite der Halle war vollgepackt mit Musikanten. Durch das ganze Haus hallten die Klänge von Feierlichkeiten.
    Köchin hatte anscheinend eine Übereinkunft mit den Leuten aus der Stadt erzielt und half stolz, den üppigen Festschmaus aufzutischen. Nari trug ein neues Kleid aus brauner Wolle und diente als Verwalterin. Die einzigen anderen anwesenden Frauen waren Dienerinnen und Unterhaltungskünstlerinnen. Da Aliya wieder in anderen Umständen war,

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