Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
die Krankheit griff auf das umliegende Viertel über. Sieben Behausungen und ein Sakor-Tempel wurden in der Gegend niedergebrannt, aber erst, nachdem einige der völlig verängstigten Bewohner die Seuche an andere übertragen hatten.
Mitte Dostin traf es das Lieblingstheater der Gefährten, das Theater zum Goldenen Fuß, und die gesamte Riege der Schauspieler wurde zusammen mit ihren Schneidern und Perückenmachern sowie allen Bediensteten unter Seuchenbann gestellt.
Tobin und Ki weinten über die Neuigkeit. Dies waren dieselben Schauspieler, die während der Jagd zu seinem Namenstag in der Feste für Unterhaltung gesorgt hatten, und sie hatten unter den Schauspielern Freunde gefunden.
Das Theater zum Goldenen Fuß lag nur fünf Straßen unterhalb des Palatintors, und der Verlust wurde verschlimmert, als der König sämtliche Audienzen absagte und verfügte, dass die Gefährten den Palast bis auf Weiteres nicht verlassen durften. Während im ersten Monat der Trauer jegliche Unterhaltung verboten war, saßen die Jungen somit zudem innerhalb der Palastmauern fest.
Meister Porion bedrängte sie, ihre Ausbildung fortzusetzen, aber Korin war zu niedergeschlagen und oft zu betrunken. Ganz in schwarz gekleidet hockte er allein in seinen Gemächern herum oder wanderte durch die Dachgärten. Wenn jemand mit ihm zu reden versuchte, antwortete er selten. Die einzige Gesellschaft, die er überhaupt zu dulden schien, war die seines Vaters oder Niryns.
Am Ende des Monats drehten die Winde, und die Drysier sagten voraus, dass dies die Luft reinigen würde. Stattdessen brach eine neue und noch verheerendere Krankheit aus. Den Berichten zufolge hatte sie auf dem Land begonnen, und ihr Auftreten wurde von Ylani bis nach Graukopp gemeldet. In Ero erlebte man die ersten Fälle in den unteren Märkten, und bevor ein Bann verhängt werden konnte, hatte sich die Seuche bereits bis hinauf zur Zitadelle ausgebreitet.
Es war eine Pockenkrankheit, die mit einem wunden Gefühl in der Kehle begann, worauf innerhalb eines Tages kleine, schwarze Pusteln am Rumpf folgten. Wenn sie am Hals endeten, überlebte der Betroffene, aber zumeist breiteten sich die Punkte erst ins Gesicht, dann in die Augen, den Mund und letztlich die Kehle aus. Der Höhepunkt war nach fünf Tagen erreicht. Danach war der Befallene entweder tot oder grässlich zernarbt und oft blind. Die Aurënfaie hatten eine solche Krankheit schon einmal erlebt, und binnen weniger Tage des ersten Auftretens traf man nur noch wenige von ihnen in der Stadt an.
Niryn erklärte dies zum Werk verräterischer, zu Totenbeschwörern gewordener Zauberer. Die Spürhunde verschärften ihre Jagd ungeachtet der immer unverhohleneren Ablehnung, die sich vor allem gegen die Verbrennung von Priestern richtete. Um die Tempel des Lichtträgers brachen Unruhen aus. Die Soldaten des Königs schlugen solche Aufstände gnadenlos nieder, aber die Verbrennungen fanden wieder außerhalb der Stadtmauern statt.
Illiors Halbmond begann überall aufzutauchen – auf Mauern gekritzelt, auf Stürze gemalt, sogar mit weißer Schneiderkreide auf die Trauerbanner gezeichnet. Die Menschen schlichen sich im Schutz der Dunkelheit in die Tempel des Lichtträgers, um Opfergaben darzubringen und um Geleit zu flehen.
Zauberer erwiesen sich als seltsam gefeit gegen die Krankheit, dennoch wagte Iya nicht, Tobin zu besuchen, weil sie fürchtete, sie könnte Keime auf ihn übertragen. Stattdessen verwendete sie Arkoniels Ortswechselbann, um kleine Elfenbeinamulette mit Schutzzeichen Illiors an ihn, Ki und Tharin zu schicken.
Als sich die Seuche verschlimmerte, türmten sich auf den Straßen haufenweise von Pocken gezeichnete Leichname, von ihren verängstigten Angehörigen bei den ersten Anzeichen der Krankheit zurückgelassen oder an Ort und Stelle gestorben, wo sie auf der blinden Suche nach Hilfe, die niemals kam, gestürzt waren. Wer auch nur gebrechlich erschien, lief Gefahr, auf den Straßen gesteinigt zu werden. Der König erteilte den Befehl, dass Kranke – unter Androhung der Hinrichtung durch die Stadtwache – in ihren Häusern zu bleiben hatten.
Bald jedoch gab es kaum noch Männer, um die Anordnung durchzusetzen. Starke Männer – insbesondere Soldaten – schienen am anfälligsten zu sein und erholten sich so gut wie nie, während viele Alte und Schwache mit lediglich einigen Narben davonkamen.
Als die Stadt in Verzweiflung versank, wurden Iya und ihre Gefährten aus dem Wurmloch wagemutiger.
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