Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
er das bleiche, benommene Antlitz seines Freundes erblickte, war er froh, geblieben zu sein. Er führte Tobin hastig zurück in ihre Gemächer, wickelte ihn in einem Lehnsessel am Feuer in Decken, reichte ihm einen Becher mit starkem Wein und schickte Baldus los, um Nikides und Lutha zu holen.
Tobin leerte den ganzen Becher, bevor er ein Wort hervorbrachte, dann erzählte er nur, was sie bereits wussten, nämlich dass der Säugling eine Totgeburt war. Ki fiel auf, wie seine Hand zitterte, und wusste, dass mehr an der Geschichte war, doch Tobin wollte nicht darüber reden. Stattdessen zog er die Knie unters Kinn an, saß schweigend da und zitterte, bis Tanil mit der Neuigkeit eintraf, dass Aliya gestorben war. Darob ließ Tobin den Kopf hängen und weinte.
»Korin will nicht von ihrer Seite weichen«, berichtete Mylirin, während sich Ki bemühte, Tobin zu trösten. »Tanil und Caliel haben alles versucht, hätten ihn beinah hinausgetragen, doch dann befahl er uns zu verschwinden. Nicht einmal Caliel durfte bleiben. Niryn ist noch bei ihm und redet von nichts anderem als davon, Zauberer zu verbrennen! Ich gehe jetzt zurück und bleibe vor der Tür, bis sie herauskommen. Darf ich Euch holen lassen, Prinz Tobin, falls Korin es wünscht?«
»Natürlich«, flüsterte Tobin stumpf und wischte sich mit dem Ärmel über die Wangen.
Mylirin bedachte ihn mit einem dankbaren Blick und ging hinaus.
Nikides schüttelte den Kopf. »Welcher Zauberer würde ein ungeborenes Kind verletzen? Wenn ihr mich fragt, ist es Illiors …«
»Nein!« Jäh richtete sich Tobin im Sessel auf. »Sag das nicht. Niemand darf das sagen. Niemals.«
Es war keine Totgeburt, dachte Ki.
Nikides war klug und begriff es ebenfalls. »Ihr habt den Prinzen gehört«, sagte er zu den anderen. »Wir reden nie wieder davon.«
K APITEL 47
Lhel blieb bei Arkoniel und den anderen im Lager in den Bergen, schlief jedoch allein in einer eigenen Hütte. Es verletzte Arkoniel, dass sie sich so unverhofft von ihm zurückzog. Lhel wusste es, aber es war notwendig. Die anderen Zauberer würden ihm nicht folgen, wenn sie ihn für ihren Geliebten hielten. Und was Lhel anging, hatte die Mutter noch weitere Pläne für sie.
Wie sie vorhergesehen hatte, starb der kleine Totmus wenige Wochen nach ihrer Ankunft. Lhel trauerte mit den anderen, doch zugleich wusste sie, dass der Winter auch ohne ein kränkliches Kind zum Versorgen hart genug würde. Die anderen waren allesamt kräftig und gesund.
Unter Cymeus' Anleitung bemühten sie sich, eine größere Zuflucht zu bauen, bevor die Unwetter einsetzten. Die Kinder verbrachten jeden freien Augenblick damit, Holz zu sammeln, und Lhel zeigte ihnen, wie man die letzten Wurzeln und Pilze des Jahres aufstöberte und das Fleisch räucherte, das Noril und Kaulin beschafften. Wythnir und die Mädchen ergänzten ihre Vorräte, indem sie mit ihren Schleudern Kaninchen und Waldhühner jagten. Malkanus machte sich eines Tages unerwartet nützlich, indem er mit einem Zauber eine Bärin erlegte, die sich ins Lager verirrte.
Lhel brachte den Bewohnern der Siedlung bei, wie man jeden Knochen, jeden Zahn und jede Sehne nutzte und das nahrhafte Mark aus den langen Knochen saugte. Sie lehrte sie, das Fell zu gerben, indem man die rohe Haut auf ein Zedernholzgestell spannte und mit einem Brei aus Asche und Gehirnmasse behandelte. Trotz all dem trauten die älteren Zauberer ihr nicht. Lhel blieb umgekehrt ihnen gegenüber argwöhnisch und verbarg ihre Magie sorgfältig. Sollte Arkoniel ihnen beibringen, was er wollte. Das war der Faden, den die Mutter gesponnen hatte.
Die Vorräte, die sie mitgebracht hatten, und das Wenige, das sie vor Ort zusammengetragen hatten, würden nicht reichen, was sie alle wussten. Während des langen Winters, der ihnen bevorstand, würden Lebensmittel, Heu, Kleider und Vieh beschafft werden müssen. Vornus und Lyan brachen mit dem Karren entlang der Straße nach Norden auf, um in den Bergbaudörfern Handel zu treiben.
Bald darauf holte der Schnee sie ein und wirbelte in mächtigen, weichen Flocken vom grauen Himmel herab. Sanft, aber stetig türmte er sich auf dem Geäst zu Haufen auf und krönte jeden Stein, jeden Baumstrunk. Als der Wind kalt genug wurde, um den Schnee in kleine, harte Körner zu verwandeln, war es den Skalanern gelungen, einen behelfsmäßigen Kuhstall und eine lange Hütte mit niedrigem Dach zu errichten. Letztere stellte einen schmucklosen Bau dar, aber groß genug, dass sie alle
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