Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
drei Gefangene waren noch nicht ausgeweidet worden. Zu Tobins Grauen erwiesen sich einige jener, die weniger Glück gehabt hatten, als am Leben, und als sie sich ihnen näherte, begannen sie, sich zu rühren und aufzuschreien.
»Luchs, geh und hol Heiler«, befahl Tobin.
Mittlerweile war Tharin hereingekommen und hielt Luchs am Arm zurück, als dieser loseilen wollte, um zu gehorchen. »Warte kurz. Ich sehe mir das erst an.«
Tharin ließ Luchs los, zog Tobin dicht zu sich und sprach leise in ihr Ohr, als sich weitere Soldaten an der Tür scharten. »Diejenigen, die aufgeschnitten sind, könnte nicht einmal ein Drysier zusammenflicken, und es könnte Tage dauern, bis sie sterben.«
Tobin las die Wahrheit in den Augen seines Freundes und nickte. »Wir müssen sie erlösen.«
»Lass es gut sein. Sie verstehen das, glaub mir.«
»Aber nicht die drei, die nicht aufgeschlitzt wurden. Wir müssen sie losmachen. Jemand soll Werkzeug holen.«
»Schon geschehen.«
Einer der drei hob den Kopf, als sie sich näherten, und Ki stöhnte auf. »O verdammt, Tob. Das ist Tanil!« Der Mann neben ihm lebte auch noch, war jedoch entmannt worden. Der dritte war tot oder bewusstlos.
Tobin und Ki gingen zu Tanil, schlangen die Arme um ihn und hoben ihn an, um seine festgenagelten Handgelenke zu entlasten.
Tanil stieß ein heiseres Schluchzen aus. »Oh, bei den Göttern, ihr seid das. Helft mir!«
Grannia und einige ihrer Frauen setzten die Hufschmiedzange an, während andere die Verwundeten anhoben. Derjenige, der entmannt worden war, stieß einen Schrei aus, als sich die Nägel lösten, Tanil hingegen biss die Zähne zusammen und verzog die Lippen zu einem stummen, gequälten Knurren. Tobin und Ki senkten ihn zu Boden. Luchs warf seinen Mantel über ihn und schnitt Streifen davon ab, um die Verletzungen zu verbinden.
Tanil schlug die Augen auf und sah Tobin an. Sie warf ihren Helm beiseite und strich ihm das dunkle Haar aus der Stirn. Er war übel zugerichtet worden, und sein Blick wirkte trüb.
»Korin?«, keuchte er, während seine Augen von Gesicht zu Gesicht wanderten. »Ich habe ihn verloren … Dumm! Ich habe mich nur kurz umgedreht, und plötzlich war er … Ich muss ihn finden!«
»Korin ist in Sicherheit«, sagte Ki. »Und das bist du jetzt auch. Wir haben es geschafft, Tanil. Tobin führt die Macht Atyions an, um die Stadt zu retten. Es wird alles wieder gut. Lieg still.«
Doch Tanil schien ihn nicht zu verstehen. Er schüttelte den Mantel ab und versuchte matt, sich aufzurappeln. »Korin. Ich habe ihn verloren. Muss ihn finden …«
Eine rothaarige Frau, die unter den Gefangenen gewesen war, kniete sich neben Tobin und berührte sie am Arm. »Ich kümmere mich um ihn und die anderen, Hoheit. Das war mein Gehöft. Ich habe hier alles, was ich für sie brauche.«
»Danke.« Tobin stand auf und wischte sich mit der Hand über den Mund. Einige der Ausgeweideten waren befreit und ins Heu gelegt worden. Mäntel bedeckten ihre Gesichter.
Tharin nahm sich jener an, die noch lebten. Tobin beobachtete, wie er dicht zu einem hintrat, der nach wie vor an den Nägeln hing. Er flüsterte dem Mann etwas ins Ohr, und Tobin sah, wie der Sterbende nickte. Tharin küsste ihn auf die Stirn, dann stieß er ihm den Dolch mit einem jähen Ruck unter die Rippen, mitten ins Herz. Der Mann erschauderte und erschlaffte. Tharin ging zum Nächsten.
Tobin wandte sich ab, hatte genug gesehen. Dabei stolperte sie in eine junge Frau, die hinter sie getreten war. Sie trug die zerfetzten Überreste eines Seidenkleids. Langsam sank sie zu Tobins Füßen auf die Knie. »Verzeiht, Prinz Tobin, ich wollte mich nur bedanken …« Sie schaute auf, und ihre Augen weiteten sich.
»Ich kenne dich, nicht wahr?«, fragte Tobin und versuchte, sie einzuordnen. Sie wirkte vertraut, aber auch sie war geschlagen worden. In ihrem verschwollenen Gesicht prangten zu viele blaue Flecken, um sie zu erkennen. Außerdem hatte jemand sie in die Schulter gebissen. Die Wunde blutete noch.
»Ich bin Yrena, mein …« Offenbar wollte sie ›Prinz‹ sagen, verstummte jedoch jäh und starrte Tobin weiter an.
»Yrena? Oh!« Tobin spürte, wie sie errötete. »Du warst …«
Das Freudenmädchen neigte das Haupt. Aus ihren Zügen sprach nach wie vor Verwirrung. »Euer Namenstagsgeschenk, Hoheit.«
Tobin bemerkte, dass Ki sie anstarrte, als sie die Frau an der Hand auf die Beine zog. »Ich erinnere mich an dich -und daran, wie freundlich du warst.«
»Das habt Ihr mir
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