Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Gehöft übernommen und ringsum Feldposten aufgestellt. Tobin konnte sich vorstellen, wie ihr alter Lehrer Rabe die Anordnung im Unterrichtssaal auf den Steinboden zeichnete.
»Wir brauchen nicht die ganze Streitkraft, um eine so kleine Gruppe auszuschalten«, sagte sie. »Hundert berittene Krieger und ein Überraschungsangriff sollten genügen.«
Hauptmännin Grannia hatte sich in der Kolonne zurückfallen lassen, um den Bericht zu hören. »Lasst meine Truppe dabei sein, Hoheit. Es ist zu lange her, seit wir zuletzt Blut geschmeckt haben.«
»Gut. Aber ich führe den Angriff an.«
»Ist das klug?«, warf Arkoniel ein. »Wenn wir dich schon in der ersten Schlacht verlören …«
»Nein, sie hat Recht«, fiel Tharin ihm ins Wort. »Wir haben diese Krieger ersucht, an ein Wunder zu glauben. Sie werden den Mut verlieren, wenn sie denken, sie folgen bloß einer hohlen Galionsfigur.«
Tobin nickte. »Von der ersten Ghërilain wurde allseits erwartet, dass sie hinter den Linien bleiben und die Generäle für sie kämpfen lassen würde. Aber das tat sie nicht, und sie gewann. Ich bin ebenso sehr Illiors Königin, wie sie es war, und ich bin besser ausgebildet.«
»Die Geschichte wiederholt sich, was?« Arkoniel dachte darüber nach, dann richtete er gestreng einen Finger auf Tharin, Ki und Luchs. »Ihr weicht mir nicht von ihrer Seite, ist das klar? Eine tote Kriegerin ist noch nutzloser als eine hohle Galionsfigur.«
Mit gezückten Schwertern stürmten sie auf das Gehöft hinab. Ein niedriger Erdwall umgab das Haus, die Scheunen und drei Koppeln mit einem Lehmflechtwerkzaun. Tobin und ihre Krieger ritten die wenigen Feldposten über den Haufen und eroberten den Wall, indem sie jegliche Verteidiger niederstreckten, die ihnen entgegengerannt kamen.
Es war Tobins erster berittener Kampf, doch sie verspürte dieselbe innere Ruhe, als sie die Schwertkämpfer metzelte, die sie aus dem Sattel zu holen versuchten. Sie kämpfte schweigend, während Ki und Tharin brüllend neben ihr fochten, und Grannias Frauen kreischten wie Dämonen. Bleiche Hände winkten und deuteten über den Zaun einer Koppel, und Tobin hörte die Schreie der darin Gefangenen.
Luchs ritt mitten hinein ins dichteste Kampfgetümmel und stieg ab.
»Nein!«, brüllte Tobin hinter ihm her, doch er war bereits verschwunden. Wenn er fest entschlossen war, den Tod zu umwerben, gab es nichts, was sie für ihn tun konnte.
Die Plenimarer setzten sich verbissen zur Wehr, waren jedoch zahlenmäßig unterlegen. Kein Einziger blieb am Leben, als das Gefecht endete.
Ohne auf die Toten zu achten, ritt Tobin zur nahesten Koppel. Sie war voller Frauen und Kinder aus Ero. Sie weinten und segneten Tobin, als sie dabei half, die Zaunlatten niederzureißen, dann scharten sie sich um ihr Pferd, um sie zu berühren.
Jedes skalanische Kind hatte finstere Geschichten über Menschen gehört, die als Sklaven nach Plenimar verschleppt wurden, eine Sitte, die man in den westlichen Ländern nicht kannte. Jene, denen das Glück beschieden ward, zu flüchten und es zurück in die Heimat zu schaffen, brachten grausige Erzählungen über Demütigungen und Folter mit.
Eine Frau umklammerte schluchzend Tobins Knöchel und deutete auf eine der Scheunen. »Kümmert Euch nicht um uns! Ihr müsst den Leuten in der Scheune helfen. Bitte, General, im Namen des Erschaffers, helft ihnen!«
Tobin stieg ab, bahnte sich einen Weg durch die Menge und rannte zum offenen Scheunentor, dicht gefolgt von Ki. In einem Heuhaufen schwelte eine fallen gelassene Fackel, und was sie in deren rauchigem Licht erblickten, ließ sie jäh erstarren.
Achtzehn nackte, blutige Männer standen an der gegenüberliegenden Wand, die Arme über den Köpfen, als wollten sie sich ergeben. Den meisten war der Bauch aufgeschlitzt worden; Gedärme ergossen sich daraus und sammelten sich wie Stränge schauerlicher Würste um ihre Füße.
»Tharin!«, brüllte Tobin, hob die Fackel aus und stampfte die Flammen im Heu aus. »Tharin, Grannia, kommt her. Bringt Hilfe mit!«
Luchs kam herbeigeeilt, dann taumelte er würgend rücklings.
Tobin und die anderen hatten düstere Geschichten darüber gehört, was die Plenimarer mit gefangenen Kriegern anstellten. Nun sahen sie es mit eigenen Augen. Die Männer waren geschlagen und entkleidet worden. Die Hände hatte man ihnen über die Köpfe gezogen und durch die Handgelenke angenagelt. Der skalanische Angriff musste den Feind bei dieser Vergnügung unterbrochen haben, denn
Weitere Kostenlose Bücher