Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Sonnenlicht wie Bernstein glitzerten.
Kanzler Hylus erwies sich als freundlicher Vormund und sorgte dafür, dass Tobin stets über reichlich Taschengeld verfügte, weit mehr, als Orun ihm zugestanden hatte. Tobin, der immer noch nicht daran gewöhnt war, Gold zu besitzen und Orte zu haben, an dem er es ausgeben konnte, hätte die Münzen in seinem Zimmer Staub ansetzen lassen, wenn Korin nicht auf Besuchen bei seinen bevorzugten Schneidern, Schwertschmieden und anderen Händlern bestanden hätte. Solchermaßen ermutigt, entledigte sich Tobin der ausgebleichten schwarzen Samtbehänge in seinem Schlafgemach und ersetzte sie durch seine eigenen, blau, weiß und silber.
Außerdem besuchte er die Kunsthandwerker in der Goldschmiedstraße und begann, wieder Skulpturen und Schmuckstücke anzufertigen. Eines Tages brachte er eine Brosche, auf die er recht stolz war, zu einem Aurënfaie-Goldschmied, dessen Arbeit er besonders bewunderte, um sie ihm zu zeigen. Es war ein Filigranstück, in Bronze gegossen und so gestaltet, dass es wie zwei kahle, ineinander geschlungene Zweige aussah. Tobin hatte sogar einige winzige Blätter hinzugefügt und die Brosche mit winzigen, weißen Kristallen besetzt. Er hatte dabei an den nächtlichen Himmel über Lhels Lichtung und daran gedacht, wie die Sterne in Winternächten durch die Eichenäste funkelten.
Meister Tyral war ein schlanker, silberhaariger Mann mit blassgrauen Augen und einem hellblauen Sen'gai. Tobin bezauberte dieses fremdartige Volk, und er konnte bereits ein halbes Dutzend verschiedene Klans durch ihre jeweiligen Kopfbedeckungen und die Art und Weise unterscheiden, wie sie sich die langen Streifen aus Wolle oder Seide um die Köpfe wickelten. Tyral und seine Arbeiter trugen sie alle als gedrungenen Turban, der tief auf den Häuptern saß und dessen lange Enden über die linken Schultern hingen.
Tyral begrüßte ihn herzlich wie immer und lud ihn ein, seine Arbeit auf einem Rechteck aus schwarzem Samt auszubreiten. Tobin wickelte die Bronzebrosche aus und legte sie hin.
»Ihr habt das gemacht?«, murmelte Tyral mit seinem weichen, singenden Akzent. »Und das hier auch, ja?«, fragte er und deutete auf den goldenen Pferdetalisman, den Tobin um den Hals trug. »Darf ich mal sehen?«
Tobin reichte ihn Tyral, dann zappelte er unruhig, als der Mann beide Stücke eingehend untersuchte. Während er den Blick über die wunderschönen Halsketten und Ringe wandern ließ, die in dem feinen Geschäft ausgestellt lagen, begann er, seine Verwegenheit zu bedauern. Das Lob seiner Freunde für seine Arbeit freute ihn, aber sie waren keine Kunsthandwerker. Was würden diesen meisterlichen Goldschmied seine tollpatschigen Versuche kümmern?
»Erzählt mir von dieser Brosche. Wie habt Ihr solch feine Linien erreicht?«, erkundigte sich Tyral und schaute mit einer Miene auf, die Tobin nicht auf Anhieb zu deuten vermochte.
Stockend erklärte Tobin, wie er jeden winzigen Zweig aus Wachs geformt, die erwärmten Fäden anschließend verwoben und in nassen Sand gepackt hatte, um das geschmolzene Metall zu erhalten. Noch bevor er mit seinen Ausführungen fertig war, kicherte der Aurënfaie und hob eine Hand. »Ihr seid in der Tat der Künstler. Verzeiht meine Zweifel, aber ich sehe selten solche Begabung in einem Tírfaie Eures Alters.«
»Ihr findet die Stücke gut?«
Der Aurënfaie hob den Pferdetalisman an. »Das hier ist sehr schön. Ihr habt die Linien klugerweise schlicht gehalten und die Einzelheiten angedeutet, statt den kleinen Körper damit zu überfrachten. Man spürt die Lebendigkeit des Tieres in der Wölbung des Halses und der Anordnung der Beine, als ob es laufe. Ein minderer Künstler hätte die Beine gerade gelassen wie die einer Kuh. Ja, es ist ein schönes kleines Stück. Aber dies hier!« Er ergriff die Brosche und legte sie sich auf die Handfläche. »Dies hier zeigt mehr als Geschick. Ihr wart traurig, als ihr es angefertigt habt. Hattet Ihr vielleicht Heimweh?«
Sprachlos nickte Tobin.
Tyral nahm Tobins rechte Hand und begutachtete die Finger und die Handfläche auf dieselbe Weise wie zuvor die Brosche. »Ihr werdet zu einem Krieger ausgebildet, aber Ihr wurdet als Künstler geboren, als Erschaffer von Dingen. Bringt man Euch das dort oben auf dem Hügel auch bei?«
»Nein, ich mache es einfach. Meine Mutter hat auch Dinge gemacht.«
»Dann hat Sie Euch eine große Gabe vererbt, Prinz Tobin. Vermutlich eine, die so zu schätzen, wie Ihr solltet, man Euch nicht
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