Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Vorbereitungen war es Tobin gelungen, seine Ängste eine Weile zu vergessen, doch die unausweichliche Langeweile eines langen Rittes verschaffte ihnen reichlich Zeit, sich wieder anzuschleichen.
Er würde dem König begegnen. Wegen dieses Mannes war seine Mutter nie Königin geworden. Wenn sie die Krone getragen hätte, wäre sie vielleicht nie wahnsinnig geworden. Und vielleicht wäre auch Bruder nicht gestorben, sodass sie zusammen am Hof oder in Atyion hätten aufwachsen können statt abgeschieden in den Bergen.
Ohne ihn, dachte Tobin mit erschreckender Verbitterung, hätte ich mit meinem wahren Gesicht aufwachsen können.
K APITEL 16
Die Kunde von der Rückkehr des Königs hatte Niryn durch einen geheimen Boten bereits eine Woche zuvor erreicht. Wie es schien, würden seine Belange in Ilear warten müssen; in dem kurzen Schreiben des Königs wurde dem Zauberer befohlen, ihn unauffällig in Cirna zu treffen.
Nichts hätte Niryn gelegener kommen können. Im Schutz der Dunkelheit verließ er die Stadt mit einer kleinen Gruppe der Garde der Spürhunde in Richtung Norden.
Die an der schmalsten Stelle der Landenge gelegene Festung von Cirna gehörte zumindest dem Namen nach Prinz Tobin. Nach Oruns zeitigem Verscheiden hatte es der König in seiner Weisheit – und mit etwas feinfühligem Nachhelfen – für angemessen erachtet, Niryn hier zum Vogt zu ernennen. Die Feste von Cirna war auf einem felsigen, vom Wind gepeitschten Fleckchen Land errichtet, wurde von einigen Ziegenhirten und Fischern bewohnt, war an allen Seiten von steilen Abhängen umgeben und auf ihre eigene Weise ebenso bedeutend wie Atyion. Ihre Macht lag nicht in ihren Gütern, sondern in ihrer Lage. Der Herr über Cirna herrschte über die einzige Landstrecke nach Skala.
Die Festung mit ihren mächtigen Mauern stand in der Mitte der Landenge und kauerte rittlings über der einzigen Straße. Zu beiden Seiten verliefen Steinmauern, doppelt so hoch wie ein Mann und dick wie ein Haus, bis zu den Abhängen und hatten schon den Angriffen von plenimarischen Armeen, Zengati-Beutefahrern und sogar den Hexen des Hügelvolkes standgehalten. Die an den Toren erhobenen Mauten waren nicht unerheblich, und Niryns Anteil hatte seine persönlichen Schatztruhen bereits weiter füllen geholfen.
Aber nicht Gold war es, das sein Herz anschwellen ließ, als das düster wirkende Bollwerk aus dem salzigen Nebel vor ihm auftauchte. Cirna stellte die Festigung seiner Macht über den König dar.
Es war nicht einfach gewesen, den König gegen Rhius zu wenden. Im Fall des widerwärtigen Orun hatte dies völlig anders ausgesehen – über das Wesen jenes Mannes hatte es hinlänglich Beweise gegeben. Herzog Rhius' Leben hingegen war über jeden Vorwurf erhaben gewesen, und die Bande, die zwischen den Männern bei den Gefährten geschmiedet worden waren, schienen auf Lebenszeit zu halten.
Womöglich hatte Erius den Herzog unter Druck gesetzt, seine einzige Schwester zu heiraten, um so die mächtigen Besitztümer in Cirna und Atyion fest an die Krone zu binden, doch seine Zuneigung für den Mann war echt gewesen. Das hatte sich in den frühen Tagen von Niryns wachsendem Einfluss als erhebliches Hindernis erwiesen. Aber letztlich war Rhius so unklug gewesen, sich offen gegen das Töten der weiblichen Verwandtschaft auszusprechen, und die Geduld des Königs war geschwunden. Als Rhius schließlich im Kampf getötet wurde, erahnte allein Niryn die Erleichterung hinter der außergewöhnlichen Zurschaustellung von Kummer des Königs.
Damit war ein Hindernis aus Niryns Weg geräumt gewesen. Nun würde er sich einer noch größeren Bedrohung annehmen.
Die Straße der Landenge führte Niryn und seine Reiter über die östlichen Felswände. Von dort sah er durch einen Schleier aus Nieselregen das königliche Flaggschiff und dessen Begleitflotte in dem kleinen Hafen unten vor Anker wogen.
Das Überqueren des Inneren Meeres zu Beginn des Frühlings stellte ein gewagtes Unterfangen dar, und die Schiffe ließen allesamt Anzeichen von Schäden erkennen. An Bord jenes des Königs tummelten sich emsig Seeleute in den Wanten und nahmen Instandsetzungsarbeiten vor.
Als Niryn die auf und ab verlaufende Straße zum Dorf hinabritt, stellte sich heraus, dass ihn mehrere Männer der Garde des Königs am Kiesstrand erwarteten. In einem Beiboot ruderten sie ihn hinaus. Als er sich über die Reling des Schiffes hievte, begrüßte ihn Obergeneral Rheynaris.
»Willkommen an Bord,
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