Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Korin?«
»Sehr gut, Majestät. Aber wie Ihr richtig sagt, ist er rastlos.«
Erius kicherte verkniffen. »Rastlos, wie? Das ist schön ausgedrückt, viel schöner als in den Berichten, die ich von Porion erhalte – Saufgelage, Hurerei, Liebschaften. Natürlich war ich in seinem Alter auch nicht besser, aber ich hatte damals schon Blut geschmeckt. Wer kann es ihm verdenken, dass er es kaum erwarten kann, in den Kampf zu ziehen? Ihr solltet die Briefe lesen, die er mir schickt und in denen er mich anfleht, sich mir in Mycena anschließen zu dürfen. Bei der Flamme, er weiß nicht, wie sehr es mich schmerzt, ihn so lange in Seide gepackt zu lassen.«
»Und dennoch – was habt Ihr ohne einen anderen Erben außer einem kränklichen Neffen für eine Wahl?« Dies war ein alter Tanz zwischen ihnen.
»Ah ja, Tobin. Aber anscheinend ist er nicht so kränklich. Von Oruns ellenlangen Beschwerden abgesehen, haben sowohl Korin als auch Porion nur Lob für ihn übrig. Was haltet Ihr von dem Jungen, nun, da Ihr ihn selbst gesehen habt?«
»In vielerlei Hinsicht ist er ein eigenartiger kleiner Bursche. Etwas verdrießlich, soweit ich das beurteilen kann, aber künstlerisch begabt. Tatsächlich hat er sich mit Schmuckstücken und Schnitzereien bereits einen Namen am Hof gemacht.«
Erius nickte innig. »Das hat er von seiner Mutter. Aber wie ich höre, ist an ihm mehr dran. Korin behauptet, der Junge sei mit dem Schwert fast so gut wie er selbst.«
»Er scheint in der Tat begabt zu sein, genau wie sein Bauernknappe.«
Kaum hatten die Worte seine Lippen verlassen, wusste Niryn, dass ihm ein Fehler unterlaufen war; das jäh in den Augen des Königs aufflammende, wilde Funkeln kündigte einen Tobsuchtsanfall an.
»Bauernknappe?«
Niryn sprang auf und huschte hinter den Stuhl, als sich Erius erhob und das Schoßpult zu Boden warf. Der Deckel flog auf, und Wachs, Pergament sowie Schreibzubehör wurde in alle Richtungen versprengt. Der Sandstreuer und ein Tintenfass platzten auf, wodurch auf den abgewetzten Bodenplanken eine körnige, schwarze Pfütze entstand. »So redet Ihr über einen Gefährten des königlichen Hauses?«, brüllte Erius.
»Verzeiht, Majestät!« Diese Anflüge setzten so plötzlich ein, so unvorhersehbar, dass selbst Niryn außerstande war, sie zu unterbinden. Soweit er wusste, lag Erius an sich nichts an dem Jungen.
»Beantwortet meine Frage, verflucht!«, tobte Erius, als sich eine Wut steigerte. »So sprecht Ihr über einen Gefährten, Ihr Brut eines Küchenknechts? Ihr schlaffer Lappen von einem …«
Speichel flog ihm von den Lippen. Niryn sank auf die Knie und kämpfte gegen den Drang an, sich das Gesicht abzuwischen. »Nein, Majestät!«
Erius stand über ihm, schimpfte nach wie vor lauthals. Es begann mit Beleidigungen, zerfiel jedoch bald in zusammenhangloses Gebrabbel, ehe es in ein ersticktes, keuchendes Knurren überging. Niryn behielt den Blick auf den Boden gerichtet, wie man es tat, wenn man einem tollwütigen Hund gegenüberstand, doch aus dem Augenwinkel beobachtete er den König für den Fall, dass dieser nach einer Waffe greifen sollte. Was schon vorgekommen war.
Der Anfall endete unvermittelt, wie es immer war, und Niryn hob langsam den Kopf. Der König schwankte leicht, seine Brust hob und senkte sich heftig, die Fäuste hingen geballt an den Seiten herab. Seine Augen blickten ausdruckslos wie die einer Puppe.
Rheynaris schaute zur Tür herein.
»Es ist vorbei«, flüsterte Niryn und winkte ihn hinaus. Er erhob sich und ergriff den König behutsam am Arm. »Bitte, Majestät, setzt Euch. Ihr seid erschöpft.«
Unterwürfig wie ein ausgelaugtes Kind ließ sich Erius zur Pritsche führen. Niryn hob rasch das Pult und dessen verstreuten Inhalt auf, dann zog er einen kleinen Läufer über die verschüttete Tinte.
Als er fertig war, wirkten die Augen des Königs wieder etwas klarer, doch er war immer noch in jenem seltsamen Nebel gefangen, der stets auf solche Ausbrüche folgte. Niryn nahm wieder Platz.
»Was – was wollte ich gerade sagen?«, krächzte der König.
»Der Knappe Eures Neffen, Majestät. Wir haben davon gesprochen, dass sich manche am Hof unhöflich über die Herkunft des Jungen äußern. Ich glaube, sie nennen ihn einen ›Wald- und Wiesenritter‹. Prinz Tobin verteidigt ihn allzeit leidenschaftlich.«
»Was? Leidenschaftlich, sagt Ihr?« Der König blinzelte ihn an, kämpfte darum, die Fassung wiederzuerlangen. Der arme Mann glaubte immer noch, dass die Anfälle
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