Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
fragte, wer sie sein mochte. Ihr Gesicht wirkte irgendwie vertraut, doch er war nicht sicher, ob er ihr schon einmal begegnet war. Dann, als sich Tharin neben sie stellte, erkannte er, dass die beiden dieselben hellen Augen, dasselbe fahle Haar und dieselbe gerade, ausgeprägte Nase besaßen.
»Erlaube mir, dir meine Tante Lytia vorzustellen«, sagte Tharin, der offensichtlich angestrengt versuchte, nicht ob des Ausdrucks in Tobins Gesicht zu lachen. »Ich glaube, ich habe hier auch noch ein paar Vettern und Basen.«
Lytia nickte. »Grannia beaufsichtigt die Speisekammer, und Oril ist mittlerweile Pferdemeister. Ich war eine Hofdame Eurer Großmutter, mein Prinz, und auch Eurer Mutter, während sie hier gelebt hat. Danach hat Euer Vater mich zur Schlüsselhüterin bestellt. Ich hoffe, Ihr nehmt meine Dienste an?«
»Selbstverständlich«, gab Tobin zurück und blickte immer noch zwischen ihr und Tharin hin und her.
»Danke, mein Prinz.« Sie schaute auf die Katze hinab, die sich um Tobins Knöchel schlängelte und dabei laut schnurrte. »Und dieser rüde Bursche ist Meister Ringelschweif, Atyions oberster Rattentöter. Wie ich sehe, erkennt er den Herrn des Hauses. Außer auf mich und Harkone geht er auf wenige Menschen zu, aber an Euch findet er eindeutig Gefallen.«
Tobin kniete sich hin, streichelte behutsam den gestreiften Rücken des Katers und erwartete, er würde ihn anfauchen, so wie ihn Hunde anknurrten. Stattdessen drückte Ringelschweif die schnurrhaarige Schnauze unter Tobins Kinn und grub lange, spitze Krallen in seinen Ärmel, um seinem Verlangen Ausdruck zu verleihen, hochgehoben zu werden. Er war ein starkes, schweres Tier und hatte zusätzliche Zehen an jedem Fuß.
»Seht euch das an! Sieben Zehen. Ich bemitleide jede Ratte, die in ihre Reichweite gelangt«, rief Tobin entzückt aus. Die Katzen, die er aus Scheunen und Ställen kannte, waren wilde, fauchende Tiere. »Und schaut, er muss ein großer Krieger sein. Er hat all seine Wunden vorne. Ich nehme deine Dienste an, Meister Ringelschweif.«
»Da ist noch ein Raum, den er sehen sollte, Tharin«, murmelte Lytia. »Ich habe Fürst Solari gebeten, es uns zu überlassen, ihn dem Prinzen zu zeigen.«
»Welcher Raum ist das?«, wollte Tobin wissen.
»Das Gemach Eurer Eltern, mein Prinz. Es wurde so bewahrt, wie sie es zurückgelassen haben. Ich dachte, Ihr würdet es vielleicht gerne sehen.«
Tobins Herz schlug schmerzhaft gegen die Rippen. »Ja, bitte. Komm du auch mit, Ki«, sagte er, als sein Freund zurückbleiben wollte.
Immer noch mit dem schweren Kater an der Brust, folgte Tobin Lytia und Tharin den Flur hinab zu einer großen Tür, beschnitzt mit Obstbäumen und Vögeln mit langen, gespreizten Schwanzfedern. Lytia ergriff einen Schlüssel von ihrem Gürtel und schloss die Tür auf.
Sie öffnete sich zu einem wunderschön eingerichteten Zimmer, getüncht in das Licht des späten Nachmittags. Die dunkelblauen Bettvorhänge zierten Paare weißer Schwäne im Flug; die Behänge an den Wänden zeigten ähnliche Bilder. Die Balkontüren standen weit offen und gaben den Blick auf die Gärten unten frei. Jemand hatte unlängst Weihrauch und Bienenwachs in dem Raum verbrannt. Tobin nahm unterschwellig die Abgestandenheit eines Zimmers wahr, in dem lange Zeit niemand gewohnt hatte, dennoch haftete ihm nicht derselbe muffige Modergeruch an, den er von zu Hause kannte. Auch wirkte es nicht wie die traurigen, halb leeren Räume in dem Haus in Ero. Dieses Zimmer war aufmerksam gepflegt worden, als würden die Bewohner bald zurückkehren.
Auf einer Kommode reihten sich mehrere feine Schatullen und Kästchen nebeneinander, und auf einem Schreibtisch, der vor einem der hohen Fenster mit Stabwerk stand, lag das übliche Schreibzubehör. Bunt glasierte Kelche säumten eine Weinablage auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers, und geschnitzte Elfenbeinfiguren standen auf einem schimmernden Spielbrett am Kamin bereit.
Tobin ließ Ringelschweif zu Boden. Der Kater lief hinter ihm her, als er durch das Zimmer ging, die Bettvorhänge berührte, eine Spielfigur ergriff, mit einer Fingerspitze über den mit einer Einlegearbeit verzierten Deckel eines Schmuckkästchens strich. Er sehnte sich danach, hier einen Widerhall seines Vaters zu spüren, doch er nahm zu deutlich die anderen wahr, die ihn beobachteten.
»Danke, dass Ihr mir das Zimmer gezeigt habt«, sagte er schließlich.
Lytia schenkte ihm ein verständnisvolles Lächeln, als sie ihm den
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