Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
das, nicht wahr?« Seine Stimme klang so ächzend wie eine rostige Angel. »Kommst deine alte Mutter besuchen, ohne ihr ein Geschenk mitzubringen, du gedankenloser Kerl? Was sagt man dazu, Ariani?«
Tobin erschrak und brauchte kurz, um zu begreifen, dass der alte Mann mit seiner Katze redete. Diese Ariani drückte Ringelschweif mittlerweile mit einer siebenzehigen Pfote nach unten und wusch ihm das Gesicht. Der große Kater fügte sich wohlig.
»Er ist nicht alleine gekommen, Harkone«, sagte Tharin mit erhobener Stimme. Er durchquerte das Zimmer, ergriff die Hand des Greises und bedeutete Tobin und Ki, ihm zu folgen.
»Theodus, endlich zu Hause!«, rief Harkone aus. Als er Tobin und Ki erblickte, brach er in ein inniges, zahnloses Grinsen aus. »Ah, und da sind meine lieben Jungs. Sag, Rhius, wie viele Waldhühner hast du mir mitgebracht? Oder sind es heute Kaninchen? Und du, Tharin, hattest du Glück?«
Tharin beugte sich näher. »Harkone, ich bin Tharin, erinnerst du dich?«
Der alte Mann musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen, dann schüttelte er den Kopf. »Natürlich, mein Junge. Verzeih mir. Du hast mich beim Träumen erwischt. Aber dann muss das …« Scharf sog er die Luft ein und tastete nach dem Gehstock, der an seinem Stuhl lehnte. »Mein Prinz!«, rief er aus und schüttelte die Katzen ab, als er sich mühsam zu erheben versuchte.
»Bitte, nicht aufstehen«, sagte Tobin.
Tränen kullerten über Harkones eingefallene Wangen, als er auf den Stuhl zurücksank. »Verzeiht die Schwäche eines alten Mannes, mein Prinz, aber ich bin so glücklich! Ich begann schon zu fürchten, ich würde nicht lange genug leben, um Euch je zu sehen.« Er streckte die Arme aus und erfasste Tobins Gesicht mit zitternden Händen. »Ah, und wenn ich doch nur besser sehen könnte! Willkommen daheim, mein Junge. Willkommen daheim!«
Tobin schob sich ein Kloß in den Hals, als er daran dachte, wie ihn der alte Mann mit seinem Vater verwechselt hatte. Er ergriff Harkones Hände. »Danke, greiser Vater. Und danke für Eure lange Zeit im Dienste meiner Familie. Ich – ich hoffe, Ihr habt es hier gemütlich?«
»Sehr freundlich von Euch, danach zu fragen, mein Prinz. Dort drüben ist ein Hocker. Tharin, holt den Hocker für den Prinzen! Und bring die Lampe näher.«
Als Tobin neben ihm saß, musterte Harkone seine Züge eingehender. »Ja, das ist besser. Nun sieh sich Euch einer an! Die Augen Eurer lieben Mutter im Gesicht des Herzogs. Findest du nicht auch, Tharin? Es ist, als betrachte man eine Wiedergeburt unseres Rhius.«
»So ist es«, pflichtete Tharin ihm bei und zwinkerte Tobin zu. Sie beide wussten, dass er keinem seiner Elternteile ähnlicher als dem andern sah, aber Tobin mochten den alten Mann bereits und freute sich, ihn glücklich zu sehen.
»Und das muss der Knappe sein, von dem du mir erzählt hast, Tharin, nicht wahr?«, sagte Harkone. »Kirothius, richtig? Komm her, Junge, und lass mich dich ansehen.«
Ki kniete sich neben den Stuhl, und Harkone betastete seine Schultern, Hände und Arme. »Ein guter strammer Bursche, ja!«, entschied er anerkennend. »Hände hart wie Eisen. Ihr habt Kriegerhände, alle beide. Tharin erzählt mir zwar nur Gutes über euch, aber ich vermute, ihr stellt auch allen möglichen Unfug an, genau wie Rhius und dieser Spitzbube hier es getan haben.«
Tobin tauschte ein Grinsen mit Ki. »Tharin war ein Spitzbube?«
»Alle beide«, gackerte Harkone. »Haben mit den Dorfkindern gerauft und die Obstgärten geplündert. Tharin, weißt du noch, wie Rhius das beste Milchschaf deiner Mutter erschossen hat? Beim Licht, mir scheint, ich war jeden Tag mit der Gerte hinter euch beiden her.«
Tharin murmelte etwas, und Tobin sah verzückt, dass der Mann errötete.
Harkone stimmte ein weiteres brüchiges Kichern an und tätschelte Tobins Hand. »Einmal haben sie unmittelbar vor einem Bankett für die Königin höchstpersönlich den Salzkeller mit Zucker gefüllt, falls ihr euch das vorstellen könnt! Natürlich war bei dem Streich der junge Erius mitten drin, aber Tharin hat die Schuld und die Prügel dafür auf sich genommen.« Die Erinnerung löste weiteres Gelächter bei ihm aus, das jedoch alsbald in einen Hustenanfall überging.
»Beruhig dich, Harkone.« Tharin holte einen Becher Wein von der Anrichte und setzte ihn an die Lippen des Greises.
Harkone gelang ein schlürfender Schluck, wobei ihm Wein in den Bart troff. Einen Augenblick saß er keuchend da, dann seufzte er tief.
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