Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
ein König und eine Königin aus, findest du nicht?«, flüsterte Ki.
Tobin nickte. Beide funkelten vor Juwelen, und das Zaumzeug ihrer Rösser war kunstvoller als jenes Gosis.
Im Galopp brachen sie die Nordstraße entlang auf. Die Banner der Prinzen und Solaris zeichneten sich vor ihnen bunt gegen den Nachmittagshimmel ab. Nach etwa einer Meile erblickten sie andere Banner und eine lange Kolonne von Soldaten, die in ihre Richtung kam. Die Vorhut bildeten einige bewaffnete Krieger und der Standartenträger des Königs. Dahinter ritt Erius mit seinen wichtigsten Fürsten. Sein Gesicht konnte Tobin noch nicht sehen, aber er erkannte ihn an seinem goldenen Helm. Die Männer waren wie für eine Schlacht gekleidet, hatten jedoch Falken statt Schilden dabei. Dutzende Adelswappen flatterten in der frischen, spätnachmittäglichen Brise.
Hinter ihnen marschierte eine lange Reihe von Fußsoldaten wie eine rote und schwarze Schlange mit funkelnden Schuppen aus Eisen.
Porion ließ die Jungen in Formation kantern, aber sie riefen einander dabei aufgeregt zu, als sie die Banner ihrer Väter und Angehörigen erblickten.
Rasch schwand der Abstand zwischen den beiden Gruppen, und Korin zügelte das Pferd und stieg ab.
»Runter, Tob«, murmelte er. »Wir begrüßen Vater zu Fuß.«
Alle anderen waren bereits abgestiegen. Tobin schluckte seine Angst hinunter und wappnete sich dafür, diesen Fremden zu hassen, dessen Blut in seinen Adern floss. Er reichte Ki Gosis Zügel und folgte seinem Vetter.
Tobin hatte seinen Onkel nur einmal flüchtig gesehen, dennoch zeichnete sich unverkennbar ab, wer er war. Selbst ohne den goldenen Helm und einen golden ziselierten Brustpanzer hätte ihn das Schwert verraten, das an seiner linken Seite hing: das berühmte Schwert der Ghërilain. Tobin kannte es von den kleinen, bemalten Königen und Königinnen, die sein Vater ihm geschenkt hatte, und später hatte er es unterschiedlich gut gemeißelt an den Steinbildnissen in der Königlichen Gruft gesehen. Sofern er noch Zweifel gehegt hatte, dass dies das Schwert war, das ihm der Geist von Königin Tamír in jener lange zurückliegenden Nacht angeboten hatte, waren sie nun ausgeräumt.
Das Antlitz des Königs jedoch hatte er noch nie gesehen, und als er letztlich zu dem Mann aufschaute, entfuhr ihm ein leises Japsen der Überraschung; Erius war Korin wie aus dem Gesicht geschnitten. Er besaß dieselben kantigen, gut aussehenden Züge und dunkle, vergnügte Augen. In seinem Haar prangten dicke weiße Strähnen, doch er saß mit derselben kriegerischen Anmut auf seinem hohen, schwarzen Ross, die Tobins Vater besessen hatte, wenn er den Fluss entlang über die Straße zur Feste geritten kam.
Korin sank auf ein Knie und salutierte vor seinem Vater. Tobin und die übrigen Gefährten taten es ihm gleich.
»Korin, mein Junge!«, rief Erius aus, als er sich aus dem Sattel schwang, um sie zu begrüßen. Seine Stimme war tief und von Liebe erfüllt.
Statt Furcht oder Hass verspürte Tobin einen unverhofften Anflug von Sehnsucht.
Korin gab das Bemühen auf, würdevoll zu bleiben, und warf sich in die Arme seines Vaters. Von den Rängen erhob sich Beifallsgebrüll, als die beiden einander drückten und auf den Rücken klopften. Die Gefährten jubelten dem König zu und klopften mit den Schwertgriffen auf ihre Schilde.
Nach einer Weile bemerkte Korin, dass Tobin immer noch kniete, und zog ihn auf die Beine. »Das ist Tobin, Vater. Vetter, komm und begrüß deinen Onkel.«
»Bei der Flamme, was bist du doch groß geworden!«, rief Erius lachend aus.
»Majestät.« Tobin setzte zu einer Verneigung an, aber der König zog ihn in eine herzliche Umarmung. Einen schwindelerregenden Lidschlag lang fühlte sich Tobin wie in den Armen seines Vaters, umhüllt von den angenehm vertrauten Gerüchen von geöltem Stahl, Schweiß und Leder.
Erius trat zurück und musterte ihn so innig, dass Tobins Knie zittrig wurden.
»Als ich dich zuletzt gesehen habe, warst du ein Säugling und hast in den Armen deines Vaters geschlafen.« Er nahm Tobins Kinn in eine harte, schwielige Hand, und ein wehmütiger Blick trat in seine Züge. »Alle haben mir erzählt, dass du die Augen meiner Schwester hast. Fast habe ich das Gefühl, sie sieht mich aus deinem Gesicht an«, murmelte er und jagte seinem Neffen damit unwissentlich einen abergläubischen Schauder über den Rücken. »Tobin Erius Akandor, hast du keinen Kuss für deinen Onkel übrig?«
»Verzeiht, Majestät«, brachte
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