Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Tobin hervor. All sein Hass und seine Angst waren bei jenem ersten, herzlichen Lächeln geschmolzen. Nun wusste er nicht, was er empfinden sollte. Er beugte sich vor und drückte die Lippen behutsam auf die raue Wange des Königs. Dabei blickte er unverhofft Fürst Niryn an, der unmittelbar hinter dem König stand. Woher war er gekommen? Weshalb war er hier? Rasch trat Tobin zurück und versuchte, seine Überraschung zu verbergen.
»Wie alt bist du inzwischen, Junge?«, fragte Erius, der ihn immer noch an den Schultern hielt.
»Fast zwölfeinhalb, Majestät.«
Der König kicherte. »So alt schon, wie? Und allen Berichten zufolge bereits ein gefährlicher Schwertkämpfer! Aber du darfst nicht so förmlich sein. Von heute an bin ich für dich dein ›Onkel‹, und sonst nichts. Komm, lass es mich hören. Ich habe lange darauf gewartet.«
»Wie Ihr wünscht – Onkel.« Als Tobin aufschaute, sah er sein eigenes scheues, verräterisches Lächeln in den dunklen Augen des Königs widergespiegelt.
Er empfand es als Erleichterung, als Erius den Blick abwandte. »Herzog Solari, auch Euch bringe ich den Sohn zurück, wohlbehalten und gesund. Nevus, geh und begrüß deine Eltern.«
Er ist dein Feind!, redete sich Tobin ein, während er beobachtete, wie der König mit Solari und dem jungen Adeligen lachte. Aber sein Herz hörte nicht zu.
Korin und Tobin reihten sich zu beiden Seiten des Königs ein, als sie zum Schloss weiterritten. Solari und seine Familie bildeten mit den Standartenträgern die Spitze.
»Was hältst du von deinem neuen Vormund?«, fragte Erius.
»Ich mag ihn wesentlich lieber als Fürst Orun«, antwortete Tobin wahrheitsgemäß. Da er mittlerweile wusste, dass Bruder manchmal log, war er geneigt, vorerst nicht schlecht von dem Mann zu denken. Bislang hatte Solari ihn wie eh und je behandelt, allzeit freundlich.
Erius kicherte über Tobins Unverhohlenheit und zwinkerte ihm zu. »Ich auch. Nun denn, wo ist dein Knappe?«
Jett ist es soweit, dachte Tobin und versteifte sich wieder. Er hatte keine Vorwarnung darüber erhalten, einen neuen Vormund zu haben. Hatte der König womöglich auch einen neuen Knappen für ihn unter den Rängen? Er setzte eine wackere Miene auf und winkte Ki herbei. »Darf ich Euch meinen Knappen vorstellen, Onkel? Sir Kirothius, Sohn von Sir Larenth von Eichberggut.«
Ki gelang im Sattel eine würdevolle Verbeugung, aber die Hand, die er ans Herz hob, zitterte. »Majestät, bitte nehmt meine bescheidenen Dienste für Euch und Euer gesamtes Geschlecht an.«
»Das also ist der so viel Aufhebens verursachende Sir Kirothius? Setz dich auf, Junge, und lass mich dich ansehen.«
Ki tat, wie ihm geheißen, und umfasste die Zügel mit Händen, an denen die Knöchel weiß hervortraten. Tobin beobachtete die beiden aufmerksam, während der König seinen Freund eingehend musterte. In prächtigen neuen Kleidern sah Ki genauso schneidig wie jeder der Gefährten aus, dafür hatte Tobin gesorgt.
»Eichberg?«, meinte der König schließlich. »Dann muss dein Vater zu Fürst Jorvai gehören.«
»Ja, Majestät.«
»Ein merkwürdiger Ort für Rhius, um nach einem Knappen für seinen Sohn zu suchen. Findet Ihr nicht, Solari?«
»Dasselbe dachte ich auch«, gab Solari über die Schulter zurück.
Würde Erius die Verbindung gleich hier vor allen für ungültig erklären? Kis Miene blieb unbewegt, aber Tobin sah, dass die Hände seines Freundes die Zügel noch verkrampfter umklammerten.
Doch Solari war noch nicht fertig. »Wenn ich mich recht entsinne, hat Rhius Larenth und einige seiner Söhne in Mycena kennen gelernt und war beeindruckt von ihrem Kampfgeschick. Starke Burschen vom Land, meinte er, nicht von höfischem Gebaren und Ränkespiel verdor ben.«
Tobin starrte auf Gosis Hals hinab und hoffte, dass man ihm seine Überraschung nicht anmerkte. Natürlich hatte sein Vater lügen müssen, aber ihm war nie in den Sinn gekommen, sich zu fragen, was er gesagt haben mochte, um Kis Gegenwart zu erklären.
»Eine weise Wahl, nach diesem strammen jungen Burschen zu urteilen«, sagte Erius. »Vielleicht sollten mehr von meinen Fürsten Rhius Rat befolgen. Hast du weitere Brüder, Kirothius?«
Ki setzte ein breites Grinsen auf. »Ein ganzes Rudel, Majestät, allesamt hartgesotten und freimütig, wenn man das mag.«
Das brachte Ki ein herzliches Lachen aus voller Kehle seitens des Königs ein. »Am Hof könnten wir durchaus etwas mehr ländliche Ehrlichkeit gebrauchen. Sag, Kirothius, und
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