Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
kitzelten und brannten. Die Geräusche der Brise und der Vögel rings um ihn verblassten, wurden vom langsamen, tiefen Pochen seines Herzens übertönt. Er führte den Oo’lu an die Lippen und ließ das Lied Gestalt annehmen. Hören konnte er es nicht, doch er sah die Bilder, die es erschuf.
Mahti erblickte das große Meer, jenes, das auf der anderen Seite der großen Brücke lag. Er hatte Geschichten darüber gehört und erkannte es am helleren Blau seines Wassers. Möwen kreisten in großen Schwärmen darüber, und in der Ferne sah er ein riesiges Steingebäude mit hohen Mauern.
Das Lied erzählte von großem Kummer in jenem Bau, von gebrochenen Geistern und einem kalten Herzen, das sich nicht erwärmen konnte. Sein Pfad lag in jener Richtung, und er musste sich beeilen.
Rasch!, flüsterte die Mutter in der Stille unter dem Lied des Oo’lus .
Mahti senkte das Instrument, öffnete die Augen und stellte fest, dass die Sonne schon beinah vom Himmel verschwunden war. Er schulterte den Oo’lu und seinen Lebensmittelbeutel und eilte weiter. Das flinkfüßige Reh, von dem dieser Pfad erschaffen worden war, hatte Spuren seiner gespaltenen Hufe in der Erde hinterlassen. Die doppelläufige Fährte geleitete seine nackten Füße noch lange, nachdem die Sterne hervorgekommen waren.
Lutha und Barieus maßen das Verstreichen des Tages an den schmalen Lichtstrahlen, die über die gegenüberliegende Mauer wanderten. Draußen hörten sie die Wachen, die rastlos umherschritten und untereinander murmelten.
Mit langsamen Bewegungen, um seinen schmerzenden Kopf zu schonen, kroch Lutha zur Tür und hoffte, etwas über Caliel zu erfahren, doch die Männer draußen unterhielten sich nur über die Jagd und Frauen.
Er erkundete die Enge der Zelle und kletterte sogar auf die Schultern seines Knappen, um die Balken und das Reetdach zu erreichen. Sie hatten einen Eimer, um sich zu erleichtern, einen weiteren mit Wasser, aber es gab keinen Weg nach draußen, nicht einmal für eine gewitzte Ratte wie ihn.
Bar jeder Hoffnung schliefen sie mit den Rücken an der Wand ein und erwachten am nächsten Morgen durch das schabende Geräusch des Türbalkens. Sie blinzelten in das Gleißen des vormittäglichen Lichts, als ein weiterer Mann hereingezerrt und auf das Stroh geschleudert wurde. Er landete mit dem Gesicht voraus, weil ihm die Hände hinter den Rücken gefesselt waren, aber sie erkannten Caliel an seinem von Blut verfilztem Haar. Seinem Aussehen nach zu urteilen, war er geschlagen und über den Boden geschleift worden, und wahrscheinlich hatte er sich dabei heftig gewehrt. Zwei ausgefranste Haarbüschel an seinen Schläfen kennzeichneten, wo sich einst seine Zöpfe befunden hatten.
Die Tür wurde zugeschlagen, und eine Weile konnte Lutha nichts sehen, da er noch vom plötzlichen Licht geblendet war. Dennoch kroch er zu Caliel und tastete ihn mit den Händen ab, suchte nach Wunden. Seitlich am Kopf prangte eine beachtliche Beule, an den Armen und Beinen hatte er blutige Abschürfungen. Er regte sich nicht, stöhnte aber, als Lutha seine Brust und Seite befühlte. Sein Atem ging angestrengt.
»Sie haben ihm eine oder zwei Rippen gebrochen, die Mistkerle«, murmelte Lutha. Er befreite Caliels Hände und rieb das kalte Fleisch, um das Blut in Bewegung zu bringen, dann ließ er sich neben ihm nieder, da es nichts mehr zu tun gab, außer ihres Schicksals zu harren. Das Licht auf der Mauer zeugte vom späten Nachmittag, als sich Caliel letztlich rührte.
»Cal? Wir sind hier bei dir. Was ist geschehen?«, fragte Lutha.
»Sie haben mich erwischt«, flüsterte er heiser. »Graurücken – und einer dieser vermaledeiten Zauberer.« Mühsam rappelte er sich auf und blinzelte im trüben Licht. Dunkles, geronnenes Blut verkrustete die rechte Seite seines Gesichts, und seine Lippe war aufgeplatzt und geschwollen. »Sie wollten nicht anständig gegen mich kämpfen, sondern sind mit Knüppeln auf mich losgegangen. Ich glaube, am Ende hat mich der Zauberer mit einem Bann belegt. Danach erinnere ich mich an nichts.« Gequält verlagerte er das Gewicht. »Was macht ihr beide hier?«
Rasch berichtete Lutha ihm, was sich zugetragen hatte.
Caliel stöhnte. »Dabei bin ich genau deshalb auf diese Weise aufgebrochen – damit ihr nicht mit hineingezogen werdet und in Schwierigkeiten kommt.«
»Die Kröte trägt ihrem Meister Geschichten zu. Wir werden bezichtigt, uns mit dir gegen Korin verschworen zu haben.«
Caliel seufzte. »Tanil und Zusthra
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