Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
ein, was Caliel dazu bewogen haben könnte, das Wagnis einzugehen, bei seiner Rückkehr hingerichtet zu werden. Rache womöglich? Doch angesichts der Umstände käme dies schlicht einem Selbstmord gleich.
Alsbald traf eine bewaffnete Eskorte ein, in deren Mitte Korin Caliel erspähte, der mit vor ihm gefesselten Händen ritt. Neben ihm befand sich jemand anders. Als sich die Gruppe näherte, stieß Korin ein überraschtes Keuchen aus, und sein Herz vollführte einen Satz in der Brust. »Tanil?«
Die Eskorte hielt an. Vier Männer zerrten die Gefangenen aus dem Sattel und führten sie zu Korin und den anderen. Caliel begegnete seinem Blick ruhig und sank vor ihm auf ein Knie. Tanil war blass und dürr. Er sah entsetzlich verwirrt aus, setzte jedoch beim Anblick Korins ein berührendes Lächeln auf und versuchte, sich ihm zu nähern, wurde aber zurückgehalten.
»Herr, ich habe Euch gefunden!«, rief er und wehrte sich matt. »Prinz Korin, ich bin’s! Verzeiht mir … ich habe mich verirrt, aber Cal hat mich zurückgebracht!«
»Lasst ihn los!«, befahl Korin. Tanil rannte zu ihm, fiel auf die Knie und umklammerte mit beiden Händen Korins Stiefel. Korin löste seine Fesseln und schlang unbeholfen die Arme um die zitternden Schultern des Jungen. Tanil lachte und schluchzte gleichzeitig und brabbelte unablässig Entschuldigungen.
Korin schaute an ihm vorbei und sah, dass Caliel das Geschehen mit einem traurigen Lächeln beobachtete. Er war dreckig und ebenfalls blass, zudem schien er jeden Augenblick zusammenzubrechen, dennoch lächelte er.
»Was macht ihr hier?«, fragte Korin, der noch nicht vollends Herr seiner Stimme war.
»Ich habe ihn in Atyion gefunden. Er wollte unbedingt zurück zu dir, deshalb habe ich ihn mitgenommen.«
Korin befreite sich aus Tanils Umarmung und ging zu Caliel. Unterwegs zog er das Schwert.
Caliel zuckte weder zusammen, noch ließ er Furcht erkennen. Stattdessen ließ er den Blick unverwandt auf Korin geheftet.
»Hat Tobin dich geschickt?«
»Nein, aber sie ließ uns ehrenvoll unserer Wege ziehen, obwohl sie wusste, dass wir zurück zu dir wollten.«
Korin setzte die Klinge unter Caliels Kinn an. »Sprich vor mit nicht so über ihn, verstanden?«
»Wie du wünschst.«
Korin senkte die Spitze des Schwerts ein wenig. »Warum bist du zurückgekommen, Cal? Über dich ist nach wie vor die Hinrichtung verhängt.«
»Dann töte mich. Ich habe vollbracht, wofür ich hier bin. Nur … bitte, sei gut zu Tanil. Er hat aus Liebe zu dir genug durchlitten.« Bei den letzten Worten erklang seine Stimme heiser und kraftlos, und er wankte auf den Knien. Korin dachte an die Auspeitschung zurück und fragte sich, wie er überlebt haben konnte. Damals schien ihm das keine besondere Rolle gespielt zu haben, nun jedoch spürte er, wie sich Scham in ihm regte.
»Bindet ihn los«, befahl er.
»Aber Majestät …«
»Ich sagte, bindet ihn los!«, brüllte Korin. »Bringt Essen, Wein und anständige Kleider für die beiden.«
Caliel rieb sich die Handgelenke, als er befreit wurde, verharrte jedoch auf den Knien. »Ich erwarte nichts, Korin. Ich wollte ihn nur zurückbringen.«
»Trotz des Wissens, dass ich dich hängen würde?«
Caliel zuckte mit den Schultern.
»Wem gilt deine Gefolgstreue, Cal?«
»Zweifelst du noch immer an mir?«
»Wo sind die anderen?«
»In Atyion geblieben.«
»Aber du nicht?«
Caliel heftete den Blick erneut unmittelbar auf seinen König. »Wie könnte ich?«
Korin verharrte kurz und rang mit seinem Herzen. Niryns Anschuldigungen gegen Caliel erschienen ihm mit einem Mal so gehaltlos. Wie hatte er derlei Dinge über seinen Freund nur glauben können?
»Verpflichtest du dich mir? Wirst du mir folgen und meinen Kurs hinnehmen?«
»Das habe ich immer getan, Majestät. Und das werde ich immer tun.«
Wie kannst du mir nur verzeihen? , fragte sich Korin verblüfft. Er streckte die Hand aus und half Caliel auf die Beine, dann fing er ihn auf, als die Knie unter ihm einknickten. Durch die Gewänder fühlte er sich dürr und zerbrechlich an, und Korin hörte, wie Caliel erstickt vor Schmerzen stöhnte, als Korins Hände seinen Rücken umfassten. Die Überreste von Caliels abgeschnittenen Zöpfen schienen ihn zu verhöhnen.
»Es tut mir leid«, flüsterte Korin so leise, dass nur Caliel es hören konnte. »So leid.«
»Nicht!« Caliels Hände packten Korin an den Schultern. »Verzeih mir, dass ich dir Anlass gegeben habe, an mir zu zweifeln.«
»Das ist längst
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