Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
hatte. »Ich wollte kein Stelldichein zweier Liebender stören.«
Caliel beobachtete, wie er außer Sicht stolzierte, ehe er knurrte: »Dreckiger kleiner Stiefellecker. Früher oder später finde ich einen Vorwand, um ihm die Kehle aufzuschlitzen.«
Lutha stieß ihn mit dem Ellbogen und deutete mit einem Nicken auf eine weiß gewandete Gestalt, die unmittelbar unter ihnen den nebelverhangenen Hof überquerte. Es war unmöglich zu sagen, ob es sich um Niryn oder einen seiner verbliebenen Zauberer handelte, doch es schien am sichersten, davon auszugehen, dass sie allesamt Spitzel waren.
Caliel schwieg, bis sich der Zauberer außer Sicht bewegt hatte. Lutha fiel auf, dass er abwesend an dem Goldring um seinen rechten Zeigefinger rieb. Es war der Falkenring, den Tobin für ihn angefertigt hatte. Caliel trug ihn trotz allem immer noch, genau wie Lutha den Pferdeanhänger, den Tobin für ihn gemacht hatte.
»Dies ist nicht das Skala, für das zu kämpfen ich großgezogen wurde«, brummte Caliel.
Lutha wartete darauf, dass er hinzufügte ›Und das ist nicht der Korin, den ich kannte‹, aber Caliel nickte ihm nur zu und stapfte davon.
Lutha, der sich noch nicht bereit fühlte, sich seinem feuchten Bett zu stellen, verweilte noch. Der Mond kämpfte sich hinter den Wolken hervor und versilberte den Meeresnebel, der über dem Osiat-Meer aufstieg. Irgendwo dort draußen, jenseits der versprengten Inseln, lagen Aurënen und Gedre. Er fragte sich, ob ihr Freund Arengil dort noch wach war, nach Norden schaute und an sie dachte.
Bei der Erinnerung an den Tag, als Erius sie dabei erwischt hatte, den Mädchen auf dem Dach des Alten Palasts Schwertunterricht zu erteilen, wand sich Lutha innerlich immer noch. Arengil war darob in Schimpf und Schande nach Hause geschickt worden, während Una verschwunden war. Lutha fragte sich, ob er die beiden je wiedersehen würde. Niemand verstand sich besser auf den Umgang mit Falken als Arengil.
Als er sich in Richtung der Treppe in Bewegung setzte, erregte eine flüchtige Bewegung auf dem Turmbalkon seine Aufmerksamkeit. Dort schimmerten noch Lampen durch die Fenster, in deren Schein er eine einsame Gestalt erkannte, die zu ihm herabschaute – Nalia, Königsgemahlin von Skala. Ohne nachzudenken, winkte er ihr zu. Er vermeinte, dass sie die Geste erwiderte, bevor sie hinein verschwand.
»Gute Nacht, Hoheit«, flüsterte er. Von Rechts wegen verkörperte sie eine Prinzessin, in Wirklichkeit jedoch war sie kaum mehr als eine Gefangene.
Lutha hatte erst einmal mit der jungen Frau gesprochen, und zwar am Tag ihrer überstürzten Vermählung mit Korin. Fürstin Nalia war nicht hübsch, zumal ein gesprenkeltes, rotes Muttermal, das eine Wange bedeckte, ihre schlichten Züge entstellte. Aber sie war wortgewandt und gütig, und ihrer Haltung haftete ein trauriger Stolz an, der Lutha das Herz zerriss. Niemand wusste, wo Niryn ein Mädchen reinen Blutes gefunden hatte, aber sowohl Korin als auch die Priesterschaft schienen von ihrer Abstammung überzeugt.
Dennoch stimmte etwas nicht. Sie war eindeutig unter Zwang vermählt worden. Seither wurde ihr nicht gestattet, den Turm zu verlassen, abgesehen von vereinzelten, kurzen Spaziergängen auf den Zinnen des Nachts unter schwerer Bewachung. Nalia leistete ihnen weder bei den Mahlzeiten Gesellschaft, noch unternahm sie Reit- oder Jagdausflüge, wie es adelige Frauen zu tun pflegten. Niryn behauptete, es sei nicht sicher für sie, dass sie als letzte wahre Erbin des Blutes zu kostbar sei und dass die Zeiten zu ungewiss wären.
»Erscheint es dir nicht merkwürdig, dass sie nicht mal zum Essen in die Halle herunterkommen darf?«, hatte Lutha einmal Caliel gefragt. »Wenn sie selbst dort nicht sicher ist, stehen die Dinge schlimmer, als irgendjemand zugibt!«
»Daran liegt es nicht«, hatte Caliel gemurmelt. »Er kann den Anblick des armen Dings nicht ertragen.«
Luthas Herz verging sich nach ihr. Wäre sie dumm oder spitzzüngig gewesen wie Korins erste Gemahlin, wäre es ihm wohl gelungen, sie in jenem Turm zu vergessen. So jedoch ertappte er sich immer wieder dabei, dass er sich um sie sorgte, vor allem, wenn er flüchtige Blicke auf sie am Fenster oder auf dem Balkon erhaschte, wo sie sehnsüchtig auf Meer hinausschaute.
Er seufzte und kehrte in der Hoffnung in seine Kam mer zurück, dass Barieus das Bett für ihn angewärmt hatte.
Kapitel 8
Nalia zuckte von der niedrigen Brüstung zurück und warf einen schuldbewussten Blick zu Tomara,
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