Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
war nicht meine Sorge«, antwortete er ihr. »Aber Sephrenia kann Sarsos ohnehin nicht verlassen. Sie ist im Rat von Styrikum.«
»Das bin ich bereits seit mehreren Jahrhunderten, Vanion«, entgegnete Sephrenia. »Ich bin schon öfter verreist – dann und wann für längere Zeit. Die anderen Ratsmitglieder haben Verständnis dafür. Sie alle mußten hin und wieder das gleiche tun.«
»Ich weiß eigentlich so gut wie nichts über diesen herrschenden Rat«, gestand Sperber. »Ich wußte zwar, daß Styriker miteinander in Verbindung bleiben, aber ich hatte keine Ahnung, wie eng.«
»Wir hängen es auch nicht an die große Glocke.« Sephrenia zuckte die Schultern. »Wenn die Elenier davon wüßten, würden sie es gleich als ungeheure Verschwörung betrachten.«
»Eure Mitgliedschaft im Rat kommt immer wieder zur Sprache«, bemerkte Sperber. »Ist dieser Rat wirklich von Bedeutung? Oder handelt es sich lediglich um ein zeremonielles Gremium?«
»O nein, Sperber«, erklärte Vanion. »Der Rat ist sehr wichtig. Styrikum ist eine Theokratie, und der Rat setzt sich aus den Hohepriestern und -priesterinnen der Jüngeren Götter zusammen.«
»Aphraels Priesterin zu sein ist kein sehr anstrengendes Amt.« Sephrenia lächelte und blickte liebevoll auf die Kindgöttin. »Sie gehört nicht zu denen, die sich um jeden Preis durchsetzen wollen, da sie für gewöhnlich ohnehin auf andere Weise bekommt, was sie will. Mir bringt mein Amt gewisse Vorteile – wie dieses Haus –, aber ich muß an den Sitzungen der Tausend teilnehmen, und das kann manchmal recht ermüdend sein.«
»Der Tausend?«
»Lediglich ein anderer Name für den Rat.«
»Es gibt tausend Jüngere Götter?« staunte Sperber.
»Natürlich, Sperber, das weiß doch jeder.«
»Warum tausend?«
»Es ist eine hübsche Zahl mit einem hübschen Klang. Auf styrisch heißt es Ageraluon. «
»Ich kenne dieses Wort nicht.«
»Es bedeutet zehn mal zehn mal zehn – in etwa. Wir hatten deshalb einen ziemlich heftigen Disput mit einem meiner Vettern. Er besaß ein Krokodil als Haustier, das ihm einen Finger abgebissen hatte. Danach hatte er immer Schwierigkeiten mit dem Zählen. Er wollte, daß wir Ageralican werden – neun mal neun mal neun. Aber wir erklärten ihm, daß unsere Zahl bereits größer sei und daß einige von uns gestrichen werden müßten, wenn wir Ageralican sein wollten. Dann fragten wir ihn, ob er einer derjenigen sein wolle, die ihr Amt niederlegen. Darauf ließ er die Idee fallen.«
»Warum hält sich auch jemand ein Krokodil als Haustier?«
»So was tun wir Styriker nun mal. Wir halten uns gern Tiere, die von Menschen nicht gezähmt werden können. Krokodile sind gar nicht so schlimm wie ihr Ruf. Und man muß sie nicht füttern.«
»Aber dafür jeden Morgen seine Kinder zählen«, sagte Sperber.
»Ich fürchte, wir kommen vom Thema ab«, mahnte Vanion. »Sephrenia sagt, Ihr hättet einen ziemlich ungewöhnlichen Verdacht.«
»Ich habe nur versucht, etwas zu erklären, das ich noch nicht ganz sehen kann, Vanion. Es ist, als wolle man ein Pferd beschreiben, wenn man lediglich seinen Schweif hat. Ich habe kaum mehr als eine Menge Bruchstücke. Ich bin überzeugt, daß alles, was wir bisher gesehen haben – und wahrscheinlich viel mehr –, miteinander zusammenhängt, und daß ein einziger die Fäden in der Hand hält. Ich glaube, es ist ein Gott, Vanion – oder mehrere Götter.«
»Seid Ihr sicher, daß Euer Zusammenstoß mit Azash nicht dafür verantwortlich ist, daß Ihr jetzt unter Betten und in dunklen Schränken finstere Gottheiten seht?«
»Ich weiß aus sicherer Quelle, daß nur ein Gott eine ganze Armee aus der Vergangenheit herbeirufen kann.«
»Es ist zu komplex, Vanion«, erklärte Danae. »Wenn man eine Armee aus der Vergangenheit holt, muß man jeden Soldaten einzeln erwecken, und um das bewirken zu können, muß man alles über ihn wissen. Es sind die Einzelheiten, an denen sterbliche Magier scheitern, wenn sie es versuchen.«
»Irgendwelche Vermutungen?« fragte Vanion seinen Freund.
»Mehrere«, erwiderte Sperber, »und keine sehr erfreulichen. Erinnert Ihr Euch an den Schatten, von dem ich Euch erzählte? Der mir durch ganz Eosien folgte, nachdem ich Ghwerig getötet hatte?«
Vanion nickte.
»Er ist wieder da, und diesmal kann ihn jeder sehen!«
»Das hört sich gar nicht gut an.«
»Ganz meine Meinung. Beim letzten Mal haben die Trollgötter diesen Schatten gebildet.«
Vanion schauderte; dann blickten er und
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