Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
mit einem Plüschtier redet?«
Sperber starrte mit gespielter Überraschung auf Rollo. »Oh, ich glaube, Ihr habt recht, Sephrenia. Seltsam, daß mir das nicht aufgefallen ist. Vielleicht liegt es daran, daß man in diesem Haus einfach nicht ausschlafen kann.« Doch seine Erklärung schien nicht auf das rechte Verständnis zu treffen.
»Wovon in aller Welt redet Ihr, Sperber?«
»Siehst du, Rollo«, sagte Sperber und tat so, als würde wenigstens das Plüschtier ihn verstehen. »Sie begreifen es einfach nicht – keine von ihnen.«
»Äh – Prinz Sperber?« Es war Ehlanas Kammermaid Alean. Sie hatte das Gemach unbemerkt betreten, und ihre großen Augen blickten besorgt drein. »Geht es Euch gut?«
Das wird ja immer schlimmer, dachte Sperber. »Diese Frage könnte ich nur mit einer langen Geschichte beantworten, die sowieso keiner versteht, Alean«, sagte er seufzend.
»Habt Ihr die Prinzessin gesehen, Ritter Sperber?« Alean blickte ihn eigenartig an.
»Sie ist bei ihrer Mutter im Bett.« Die Situation war ohnehin nicht mehr zu retten. »Ich gehe jetzt ins Badehaus – falls es jemanden interessiert.«
Er hüllte sich in die letzten Fetzen seiner Würde und schritt aus dem Raum.
Der Styriker Zalasta war ein asketisch aussehender Mann mit weißem Haar und langem Silberbart. Er hatte das eckige, unfertig wirkende Gesicht aller styrischen Männer, zottlige schwarze Brauen und eine tiefe, klangvolle Stimme. Er war Sephrenias ältester Freund, und man hielt ihn allgemein für den weisesten und mächtigsten Magier des Styrikums. Zur Zeit trug er ein weißes Kapuzengewand und hielt einen Stock in der Hand – vermutlich eine Marotte, da er durchaus rüstig war und keineswegs eine Gehhilfe brauchte. Er sprach perfektes Elenisch, allerdings mit starkem styrischem Akzent. Sperber und seine Gefährten hatten sich an diesem Morgen in Sephrenias Innengarten eingefunden, um Zalasta zuzuhören, der ausführlich erklärte, was in Tamuli tatsächlich vor sich ging »Wir wissen nicht mit Gewißheit, ob sie echt sind oder nicht«, sagte Zalasta gerade. »Sie wurden nur hin und wieder gesichtet und dann auch nur flüchtig.«
»Aber es sind zweifellos Trolle?« fragte ihn Tynian.
Zalasta nickte. »Kein anderes Lebewesen sieht aus wie ein Troll.«
»Das stimmt«, bestätigte Ulath. »Es kann sich durchaus um echte Trolle handeln. Vor einiger Zeit haben sie Thalesien verlassen, alle auf einmal. Niemand kam auf den Gedanken, einen von ihnen aufzuhalten und nach dem Grund zu fragen.«
»Auch Urmenschen wurden gesichtet«, fuhr Zalasta fort.
»Urmenschen?« fragte Patriarch Emban.
»Das sind menschenähnliche Geschöpfe aus dem Anbeginn der Zeit, Eminenz«, erklärte Zalasta. »Sie sind größer als Trolle, streifen in Gruppen herum und sind außerordentlich wild, aber dumm. Ihre Intelligenz reicht nicht einmal an die der Trolle heran.«
»Wir sind solchen Urmenschen begegnet, Freund Zalasta«, warf Kring ein. »Ich habe an jenem Tag viele Brüder verloren.«
»Vielleicht besteht keine Verbindung«, meinte Zalasta. »Die Trolle stammen aus unserer Zeit, die Urmenschen hingegen kommen aus der finstersten Vergangenheit. Ihre Gattung ist seit Äonen ausgestorben. Auch Cyrgai sind angeblich gesichtet worden.«
»Nein, mit Gewißheit, Zalasta«, versicherte Kalten. »Sie haben uns vorige Woche mit einer nächtlichen Unterhaltung beglückt.«
»Die Cyrgai waren furchterregende Krieger«, sagte Zalasta.
»Für ihre Zeitgenossen vielleicht«, wandte Kalten ein. »Aber moderne Taktik, Waffen und Ausrüstung kennen sie nicht. Gegen Katapulte und gepanzerte Gegner sind sie hilflos.«
»Wer sind die Cyrgai denn genau, Weiser?« fragte Vanion.
»Ich habe dir doch die Schriftrollen gegeben, Vanion«, sagte Sephrenia. »Hast du sie nicht gelesen?«
»So weit bin ich noch nicht gekommen. Styrisch ist eine schwierige Sprache. Ihr solltet euch vielleicht mal eine Vereinfachung eures Alphabets durch den Kopf gehen lassen.«
»Einen Moment!« unterbrach Sperber sie. Er blickte Sephrenia an. »Ich habe Euch nie irgend etwas lesen gesehen«, sagte er vorwurfsvoll. »Und Ihr wolltet auch nicht, daß Flöte ein Buch in die Hand nimmt!«
»Kein elenisches Buch.«
»Dann könnt Ihr also lesen?«
»Styrisch, ja.«
»Warum habt Ihr uns das nie gesagt?«
»Weil es Euch nichts anging, Lieber.«
»Ihr habt gelogen !« Es war offenbar ein gewaltiger Schock für Sperber.
»Nein, das habe ich nicht. Ich kann nicht Elenisch lesen –
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