Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
Wurde ich dadurch nicht zu einem Fremden der Götter dieser Welt und aller Menschen? Doch wenngleich du mich zu deinem Sklaven gemacht hast, so bin ich doch von dieser Welt, und ich werde nicht zulassen, daß sie und ihre Bewohner durch die grausame Unterdrückung meiner Feinde zermalmt werden! Ich habe dich aus der Versklavung durch Ghwerig befreit. Ist das nicht schon ein kleiner Beweis meines Pflichtbewußtseins, was die Aufgabe betrifft, die du mir auferlegt hast? Und haben wir nicht gemeinsam Azash vernichtet, der uns beide zur Sklaverei verdammt hätte, die viel schlimmer gewesen wäre als die, welche uns nun aneinanderkettet? Erkenne, Blaurose, daß ich auch dein Sklave bin, so wie du der meine, und wieder ist die Kette, die uns verbindet, ein gemeinsames Ziel, und keiner von uns wird frei sein, ehe dieses Ziel nicht erreicht ist. Dann erst werden du und ich ungehindert unsere getrennten Wege gehen – ich, um zu bleiben, du, um weiterzuziehen und deine unterbrochene Reise zum fernsten Stern fortzusetzen, wenn du möchtest.«
»Du hast gut gelernt, Anakha«, gab Bhelliom widerwillig zu. »Doch dein Verständnis für unsere Beziehung hat sich nie in deinen bewußten Gedanken gezeigt, wo ich es zu erkennen vermocht hätte. Ich war verzweifelt, weil ich glaubte, einen Fehler begangen zu haben.«
Sephrenia starrte sie an, zuerst Sperber, dann den scheinbar bewußtlosen Kalten, und ihr Gesicht verriet eine Regung, die Zorn sehr nahe kam. Auch Xanetia starrte die beiden an, und ihr Gesicht wirkte nicht minder verärgert. Flüchtig empfand Sperber Befriedigung darüber. Die beiden Frauen waren sich in ihrer vielleicht unbewußten herablassenden Überlegenheit sehr ähnlich. Sperbers plötzliche, unerwartete Erkenntnis, was Dinge betraf, die lange in seinem Gedächtnis geschlummert hatten, erschütterte ihre aufreizende Selbstgefälligkeit. Zum erstenmal im Leben war Sperber deutlich bewußt, daß er Anakha war – und mehr noch: Er erkannte die Bedeutung Anakhas auf eine Weise, die weder Sephrenia noch Xanetia je verstehen würden. Er hatte weder die eine, noch die andere gebraucht, um zu Bhelliom vorzudringen, und indem er seine Gedanken mit denen Bhellioms verbunden hatte, war es ihm gelungen, die Bewußtheit des Steins in gewissem Maße zu teilen. Und dazu würde keine der beiden Frauen je imstande sein.
»Du hast keinen Fehler begangen, Blaurose«, sagte Sperber zu dem Edelstein. »Du hast nur übersehen, daß du deine Gedanken an diese Zunge gebunden hast, wie auch mein Verständnis, das sich mir erst öffnete, als ich dir in derselben Zunge antwortete. Und nun lasse uns die Dinge besprechen. Meine Feinde sind auch die deinen, da sie dich ebenso an sich binden möchten wie mich. Keiner von uns würde sich seiner Freiheit erfreuen können, bis sie nicht mehr sind. Sind wir uns da einig?«
»Deine Gedankenfolge ist vernünftig.«
»Also haben wir das gleiche Ziel?«
»So scheint es.«
»Wir kommen offenbar voran«, murmelte Sperber.
Kaltens Miene wurde abweisend und mißbilligend.
»Verzeih«, entschuldigte sich Sperber. »Die Macht der Gewohnheit, fürchte ich. Die Vernunft drängt uns – da unsere Feinde und unser Ziel dieselben und unsere Gedanken nun miteinander verbunden sind – unser Streben in dieser Sache zu vereinen. Der Sieg wird uns befreien. Dann werden unsere Feinde und unser gemeinsames Ziel ein Ende haben, und die Kette, die uns verbindet, wird von uns abfallen. Ich gelobe, dich nach Beendigung dieser Aufgabe freizusetzen, auf daß du vollenden kannst, was du begonnen hast. Mein Leben liegt in deiner Hand, und du magst mich vernichten, sollte ich ein falsches Spiel mit dir treiben.«
»Ich finde keine Falschheit in deinen Gedanken, Anakha, und ich werde deinen Arm stärken und dein Herz härten, sollten andere, die du liebst, dich von deiner Bestimmung und deinem Gelöbnis abzubringen versuchen. So sind wir uns denn einig.«
»Abgemacht!« rief Sperber.
»Abgemacht!« Bisher hatten Bhellioms Worte, die über Kaltens Lippen gekommen waren, trocken und ohne jede Gefühlsregung geklungen. Diesmal aber verriet die Stimme Freude.
»Und nun zu der Entscheidung, die du und ich gemeinsam treffen müssen.«
»Sperber…«, warf Sephrenia unsicher ein.
»Bedauere, kleine Mutter, aber zur Zeit rede ich nicht mit Euch. Bitte, unterbrecht uns nicht.« Sperber wußte nicht recht, ob er seine Fragen an die Saphirrose richten sollte oder an Kalten, der völlig vom Geist im Edelstein in Besitz
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