Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
Anarae.«
»Seine Exzellenz hat einen sehr wichtigen Punkt zur Sprache gebracht, Anari«, sagte Vanion. Sein Gesicht war noch vom Schmerz über das Gespräch mit Sephrenia am Tag zuvor gezeichnet. »Das Aussehen der Dame wird auffallen – nicht nur in Matherion, sondern auch auf dem Weg dorthin. Besteht eine Möglichkeit, ihr Aussehen soweit zu verändern, daß in den Orten, durch die wir kommen werden, nicht bereits bei ihrem Anblick Panik ausbricht?« Er blickte die Delphae um Entschuldigung heischend an. »Um nichts auf der Welt möchte ich Euch beleidigen, Anarae, aber Ihr fallt wirklich auf.«
»Habt Dank für Euer Kompliment, edler Herr.«
»Möchtet Ihr nicht lieber weitermachen, Sperber?« bat Vanion. »Ich finde offenbar nicht die richtigen Worte.«
»Wir sind Soldaten, Xanetia. Wir können unseren Weg von hier zum Kaiserschloß in Matherion mit Leichen pflastern, wenn es nicht anders geht, aber ich habe das Gefühl, daß Euch das schmerzen würde. Wäre eine Verkleidung denn eine Kränkung für Euch? Ist es überhaupt möglich, Euer Aussehen zu verändern? Ich weiß nicht, ob es Euch selbst aufgefallen ist, aber Ihr – leuchtet. Einige Eurer Leute konnten ziemlich nahe an uns herankommen, ehe wir dieses Leuchten bemerkt haben. Kann Euer inneres Feuer abgeschwächt werden?«
»Ja. Wir können auf das Licht Einfluß nehmen, Anakha«, erwiderte Cedon. »Und Xanetia, die Begabteste von allen, kann es besser als die meisten anderen – obwohl es schmerzhaft für sie sein wird, denn für uns ist so etwas unnatürlich.«
»Dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen.«
»Der Schmerz ist bedeutungslos, Anakha«, versicherte Xanetia.
»Für Euch vielleicht, doch nicht für mich. Aber fangen wir mit Eurer Hautfarbe an. Eure Züge sind tamulisch, aber der Teint stimmt leider nicht. – Was meint Ihr, Itagne, würde man sie für eine Tamulerin halten, wenn wir ihre Haut und ihr Haar färbten?«
»Das ist nicht nötig, Anakha«, wandte Xanetia ein. Angestrengt legte sie die Stirn kurz in Falten, und allmählich, beinahe wie ein langsames Erröten, stieg eine goldene Tönung in ihre Wangen, und das Weiß ihres Haares wurde aschblond. »Farbe ist eine Eigenschaft des Lichtes«, erklärte sie ruhig, während der Bronzeton ihrer Haut tiefer und ihr Haar dunkler wurden. »Und da ich das Licht in mir beeinflussen kann, vermag ich auch meine Farbe zu ändern. Sofern ich es nicht völlig unterdrücke, kann ich auch den Schmerz mindern. Eine annehmbare Lösung für mich – und für euch ebenfalls, wie mir scheint, da ihr offenbar den Schmerz anderer mitfühlt. Es ist ganz einfach.« Ihr Teint war nun fast vom gleichen hellen Bronzeton wie der Itagnes, und ihr Haar von einem schönen Kastanienbraun. »Die Veränderung der Gestalt ist viel schwieriger«, gestand Xanetia, »und die Veränderung des Geschlechts sogar noch mehr.«
»Des wa-as ?« krächzte Itagne.
»Ich tue das nicht oft – und auch nicht gern«, erwiderte sie. »Edaemus hat mich nicht zum Mann bestimmt, und ich fühle mich als Mann auch nicht wohl. Ein Männerkörper ist so überladen und unordentlich.« Sie streckte einen Arm aus und begutachtete seine Hautfarbe eingehend. »Mir scheint, die Farbe ist nun richtig.« Dann griff sie nach einer Strähne ihres jetzt schwarzen Haares und betrachtete auch diese. »Das ist auch in Ordnung«, fügte sie hinzu. »Was meint Ihr, Itagne? Könnte ich jetzt unauffällig durch Matherion wandeln?«
»Wohl kaum, erhabene Xanetia.« Er lächelte. »Das Herz eines jeden, der Euch erschaut, würde ob Eurer Lieblichkeit einen Schlag aussetzen, denn wahrlich Eure Schönheit blendet meine Augen.«
»Er kann es«, murmelte Sperber.
»Eure honiggleichen Worte klingen süß in meinen Ohren, Itagne.« Auch Xanetia lächelte. »Mir scheint, Ihr seid ein Meister der Schmeichelei.«
»Itagne ist Diplomat, müßt Ihr wissen, Anarae«, warf Vanion ein, »und man darf seinen Worten nicht immer glauben. Doch diesmal hat er die Wahrheit gesprochen. Ihr seid eine außerordentlich schöne Frau.«
Sie blickte ihn ernst an. »Das Herz in Eurer Brust ist wund, nicht wahr, Hochmeister Vanion?«
Er seufzte. »Es ist mein persönliches Problem, Anarae.«
»Nicht ganz, Eminenz. Wir gehören nun alle zusammen, und das Leid des einen ist das Leid aller. Doch was Euch bedrückt, ist von weit größerer Bedeutung und bereitet uns viel größere Sorge als alles, was aus unseren kameradschaftlichen Gefühlen für Euch erwachsen
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