Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
werdet Euch daran gewöhnen. Die ersten paarmal ist man gehörig durcheinander, aber das gibt sich.«
Khalad hielt Sperber die Schatulle hin, und er legte Bhelliom wieder hinein. »Ich tue das in unser beider Interesse«, versicherte er dem Edelstein. »Unsere Feinde können deine Anwesenheit spüren und den Ort feststellen, solange du bar jeder schützenden Umhüllung bist. Diese Schatulle verbirgt dich vor ihrem geistigen Auge.«
Bhelliom pulsierte sein Einverständnis.
Sperber klappte den Verschluß seines Ringes zu, ließ sich von seinem Knappen die Schatulle reichen und schloß auch sie. Dann schob er sie an ihren gewohnten Platz unter seinem Kittel zurück.
Das im Fackelschein rot schimmernde Matherion lag unter ihnen, und der bleiche Lichtpfad des soeben aufgegangenen Mondes erstreckte sich vom Horizont über das Tamulische Meer auf die opalisierenden Dächer – ein weiterer der unzähligen Wege zu jener Stadt, die von den Tamulern als Mittelpunkt der Welt bezeichnet wurde.
»Seid Ihr für einen Vorschlag aufgeschlossen, Sperber?« fragte Talen.
»Du redest genau wie Tynian.«
»Ich weiß. Ich versuche ihn während seiner Abwesenheit würdig zu vertreten. Wir waren Matherion so lange fern, daß wir nicht wissen, was hier vorgeht. Was haltet Ihr davon, wenn ich mich in die Stadt stehle, mich umsehe und ein paar Fragen stelle?«
Sperber nickte. »Ist gut. Aber bleib nicht die ganze Nacht fort.«
Talen schwang sich vom Pferd und öffnete seine Satteltasche. Er nahm einen groben, mit Flicken versehenen Kittel heraus und zog ihn über seine Kleidung. Dann bückte er sich, rieb die Hand im Staub der Straße und verteilte den Schmutz beinahe kunstvoll auf seinem Gesicht. Schließlich zerzauste er sich das Haar und ließ eine Handvoll Spreu vom Straßenrand darauf rieseln. »Was meint Ihr?« fragte er Sperber.
Sperber zuckte die Schultern. »So wird es schon gehen.«
»Ihr könntet wirklich ein bißchen mehr Anerkennung zeigen!« Talen stieg wieder in den Sattel. »Khalad, komm mit. Du kannst auf mein Pferd aufpassen, während ich ein bißchen herumschnüffle.«
Khalad nickte, und die beiden ritten den Hang hinunter.
»Ist dieses Kind wirklich so begabt?« fragte Xanetia.
»Er wäre beleidigt, würde er hören, daß Ihr ihn Kind nennt, Erhabene«, antwortete Kalten. »Ich kenne niemanden, der sich besser auf die Kunst des Tarnens versteht.«
Sie zogen sich ein Stück von der Straße zurück und warteten.
Etwa eine Stunde später kehrten Talen und sein Bruder zurück.
»Seit unserer Abreise hat sich offenbar kaum etwas geändert«, meldete der Junge.
»Keine Straßenkämpfe, meinst du?« Ulath lachte.
»Noch nicht. In der Schloßanlage geht es allerdings ein wenig hektisch zu. Es hat mit irgendwelchen Dokumenten zu tun. Die ganze Regierung ist in Aufruhr. Allerdings schien niemand Genaueres zu wissen. Die Ordensritter und Ataner sind aber noch Herr der Lage; demnach wäre es unbedenklich, auf den Innenhof von Ehlanas Burg zu springen.«
Sperber schüttelte den Kopf. »Wir reiten dorthin. Gewiß halten sich noch Tamuler innerhalb der Mauern auf, und wahrscheinlich sind die Hälfte davon Spitzel. Schließlich wollen wir unser Geheimnis nicht leichtfertig preisgeben. Ist Sarabian noch in der Burg?«
Talen nickte. »Eure Gemahlin bringt ihm wahrscheinlich ein paar Kunststücke bei – ›Herumrollen‹, ›Totspielen‹, ›Stöckchen holen‹ und dergleichen mehr.«
» Talen! « rief Itagne.
»Ihr habt unsere Königin noch nicht kennengelernt, nicht wahr, Exzellenz?« Talen grinste. »Das wird eine ganz neue Erfahrung für Euch sein.«
»Es hat mit der Einrichtung eines neuen Ablagesystems zu tun, Eminenz«, antwortete der junge Pandioner an der Zugbrücke auf Vanions Frage. »Wir haben Platz zum Umordnen gebraucht, deshalb breiteten wir alle Regierungsakten auf dem Rasen aus.«
»Und wenn es regnet?«
»Würde es die Arbeit wahrscheinlich sehr erleichtern, Eminenz.«
Auf dem Innenhof saßen die Gefährten ab und stiegen die breite Freitreppe zur kunstvoll geschnitzten Eingangstür hinauf. Dort blieben sie kurz stehen und zogen weichgepolsterte Schuhe an, um die empfindlichen Perlmuttfliesen im Palast zu schonen.
Königin Ehlana wußte bereits von ihrer Ankunft und erwartete sie an der Tür zum Thronsaal. Sperber klopfte das Herz bis zum Hals, als er seine liebreizende junge Gemahlin sah. »Wie freundlich von Euch, Uns aufzusuchen, Ritter Sperber«, bemerkte sie spöttisch, dann aber schlang
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