Tamuli 3 - Das Verborgene Land
Gesetzlose zählte mit fast verträumter Miene die bisherigen Einnahmen. »Oh, das ist einfach großartig, Col!« sagte er erfreut.
»Es sind doch bloß Kupferstücke!«
»Das schon, aber es sind so viele!«
»Shallag hat eine Idee.«
»Er möchte die Reihen lichten, indem er jedem dritten Kerl in der Schlange den Kopf abhackt?«
»Also, so schlimm ist Shallag nun auch wieder nicht!«
»Sagst du! Jeder im Lager hat schon Alpträume wegen dem Burschen.«
»Seit er in Arjun angekommen ist, hat er noch keinen einzigen Mann getötet!« »Er spart sie sich auf. Er wartet bloß, bis er ein paar Dutzend beisammen hat, um sie dann alle auf einmal abzuschlachten!«
»Willst du nun seine Idee hören, oder bist du mit deinen dummen Witzen noch nicht zu Ende?«
»Entschuldige. Also, sprich.«
»Er meint, wir sollten eine von diesen leeren Ruinen zu einer Schenke umbauen.« »Du meinst, eine richtige Schankstube? Mit Theke und Tischen und Stühlen und was sonst noch dazugehört?«
»Warum nicht? Jetzt, wo dein Brauer Tag und Nacht arbeitet, kann das Bier in Strömen fließen. Und schließlich sind deine Kunden hier. Wenn du hier eine Schenke errichtest, kannst du jeden Tag von morgens bis abends Bier verkaufen, nicht bloß einmal in der Woche, wozu du dann auch noch extra herkommen mußt. Außerdem würden deine Kunden sich in überschaubarer Zahl einstellen, statt gleich regimentweise.«
»Daran hatte ich noch nie gedacht«, gestand Senga. »Ich glaubte, ich könnte hier schnellen Gewinn machen und mich dann über die Grenze verziehen. Dabei kann ich hier eine richtige Schenke führen, Col – ein richtiges, ehrliches Geschäft. Ich bräuchte nie wieder zu stehlen!«
»Ich kenne deine Preisliste, Senga. Mach dir nichts vor. Du stiehlst immer noch!« Senga achtete gar nicht auf ihn. »Vielleicht könnte ich sie ›Sengas Palast‹ nennen«, meinte er verträumt. Er runzelte die Stirn. »Nein, das wäre etwas zu großspurig für eine Schenke. Ich glaube, ich nenne sie einfach nur ›Bei Senga‹. Das wäre doch ein dauerhafteres Andenken als ein Grabpfosten, in den lediglich der Tag eingekerbt ist, an dem man mich aufgehängt hat.« Dann schüttelte er den Kopf und seufzte. »Es geht doch nicht, Col«, sagte er bedauernd. »Würde ich dich und meine anderen Wachen wieder mitnehmen, würden Scarpas Soldaten einfach in die Schenke marschieren und all mein Bier saufen, ohne zu bezahlen.«
»Du brauchst uns ja nicht mitzunehmen. Wir können hierbleiben und dafür sorgen, daß die Kerle auch bezahlen, was sie saufen.«
»Ich glaube nicht, daß es Narstil gefallen würde, wenn wir abends nicht zurück im Lager wären.«
»Senga«, sagte Kalten sanft, »brauchst du Narstil denn überhaupt noch? Du bist jetzt ein ehrbarer Geschäftsmann, da solltest du gar nicht mit Banditen verkehren.« Senga lachte. »Du gehst das ein bißchen zu schnell für mich an, Col. Gib mir ein wenig Zeit, das alles zu verdauen.« Dann fluchte er plötzlich. »Was ist los?«
»Es ist eine großartige Idee, Col, aber sie läßt sich nicht verwirklichen.« »Warum nicht?«
»Weil ich Scarpas Genehmigung brauche, wenn ich hier eine Schenke eröffne. Und ich werde mich ganz bestimmt nicht in seine Nähe begeben, um ihn darum zu ersuchen.«
»Ich glaube, das mußt du auch gar nicht, mein Freund. Ich habe gestern in diesem Plunderhaufen in Narstils Lager herumgestöbert – und rate mal, was ich gefunden habe!« »Was denn?«
»Ein kunstvoll silberbeschlagenes Faß mit arzischem Rotwein. Es hat sogar einen silbernen Zapfhahn. Der Kerl, der es geklaut hat, kannte seinen Wert nicht – er ist Biertrinker. Ich konnte es ihm um eine halbe Krone abluchsen. Ich verkaufe es dir, und du kannst es diesem Krager verehren. Überlaß es einfach ihm, Scarpa zu überreden, daß er dir die Erlaubnis erteilt, hier eine Schenke zu eröffnen.« »Col, du bist ein Genie! Wieviel verlangst du für das Faß arzischen Roten?« »Oh – fünf Kronen, würde ich sagen.«
»Fünf Kronen? Zehnmal soviel, wie du dafür bezahlt hast? Das ist Raub!«
»Du mußt es ja wissen, Senga. Du bist mein Freund, aber Geschäft ist Geschäft.« Sie fanden Krager mit trüben Augen auf einem halbzerfallenen Mauerstück sitzen, von wo aus er die Meute durstiger Soldaten ohne großes Interesse beobachtete. Er hielt einen Zinnbecher in der Hand, aus dem er hin und wieder mit sichtlichem Abscheu einen Schluck trank.
»Ah, da seid Ihr ja, Meister Krager«, begrüßte Senga ihn jovial. »Wie
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