Tamuli 3 - Das Verborgene Land
zeigte.
Obwohl er den Kerl noch nie zuvor gesehen hatte, erkannte ihn Ulath sofort. Talens Bleistift hatte dieses Gesicht beinahe perfekt wiedergegeben. Ulath lächelte. »So ist es schon ein bißchen besser.« Er trat auf die Straße hinaus und folgte dem tänzelnden Pferd.
Ihr Ziel war einer der Prunkbauten unweit des Königsschlosses. Ein Lakai eilte aus dem Haus, um den Elenier zu begrüßen. »Ihr werdet sehnsüchtig erwartet, edler Herr.« Er verbeugte sich tief.
»Hol jemand, der sich um mein Pferd kümmert«, befahl der Elenier, ehe er absaß.
»Sind alle hier?« »Jawohl, Baron Parok.«
»Erstaunlich. Steh nicht so herum, Tölpel! Führe mich sofort zu ihnen!«
»Jawohl, edler Herr.«
Wieder lächelte Ulath und folgte ihnen ins Haus.
Das Gemach, zu dem der Lakai ihnen vorausging, war offenbar ein Studierzimmer. An den Wänden befanden sich Bücherschränke; doch die Bände sahen aus, als wären sie noch nie aufgeschlagen worden. Etwa ein Dutzend Männer hielten sich in diesem Raum auf: einige Elenier, einige Arjuner und sogar ein Styriker.
»Kommen wir zur Sache.« Achtlos warf Baron Parok seinen Hut mit dem Federbusch und seine Handschuhe auf den Tisch. »Was habt ihr zu berichten?«
»Prinz Sperber ist in Tiana angekommen, Baron Parok«, meldete der Styriker. »Das haben wir erwartet.«
»Aber wir haben nicht damit gerechnet, daß er meinen Vetter so behandeln würde! Er und sein unverschämter Knappe folgten unserem Boten und überfielen ihn. Sie rissen ihm die Kleider vom Leibe und drehten seine Taschen von innen nach außen.«
Parok lachte barsch. »Ich habe Euren Vetter kennengelernt, Zorek, und ich bin sicher, daß er so etwas weidlich verdient hat. Was hat er denn zu dem Prinzen gesagt, daß der ihm diese Behandlung angedeihen ließ?«
»Er übergab ihm die Botschaft, Euer Gnaden, aber dieser Grobian von Knappe schien von der Aussicht einer Zwanzigtagereise zu Pferd nicht begeistert zu sein. Das kränkte meinen Vetter, und er erklärte ihnen, daß sie es in diesem Fall eben in vierzehn Tagen schaffen müßten, die Reise hinter sich zu bringen!«
»Das gehörte nicht zu unseren Anweisungen!« schnaubte Parok. »Hat Sperber ihn getötet?«
»Nein, Euer Gnaden«, antwortete Zorek mürrisch.
»Wie bedauerlich«, knurrte Parok. »Jetzt muß ich das selbst in die Hand nehmen. Sobald ich Zeit habe, werde ich mir Euren Vetter vorknöpfen und seine Eingeweide zur Abschreckung für alle anderen an einen Zaun hängen. Ihr werdet nicht dafür bezahlt, selbstherrlich zu handeln, sondern um Befehle auszuführen.« Er schaute sich um. »Wer hat die nächste Nachricht?« »Ich, Euer Gnaden«, rief ein offenbar wohlhabender Edomer.
»Dann wartet besser, ehe Ihr sie übergebt. Durch seine Dummheit hat Zoreks Vetter unseren Zeitplan über den Haufen geworfen. Lassen wir Sperber hier erst einmal eine Woche zappeln. Dann gebt ihm das Schreiben, in dem er aufgefordert wird, sich nach Derel zu begeben. Freiherr Scarpa will seine Armee erst gen Norden in Marsch setzen, bevor wir Sperber zum Austausch nach Natayos senden.«
»Baron Parok«, warf ein Arjuner hochnäsig ein. Der Mann hatte dicke Tränensäcke und war in ein Brokatwams gekleidet. »Diese eine Woche könnte für meinen König eine echte Gefahr bedeuten. Sperber ist für seine Unvernunft bekannt und in der jetzigen Situation zu allem fähig. Außerdem hat er diesen Stein der Macht immer noch in seinem Besitz. Seine Majestät möchte auf keinen Fall, daß dieser elenische Barbar tagelang hier in Arjun herumlungert und auf schlimme Gedanken kommt. Schickt ihn sofort nach Derel. Wenn Sperber schon eine Stadt vernichtet, dann lieber Derel statt Arjun.«
»Ihr habt erstaunlich scharfe Ohren, Herzog Milanis«, sagte Parok spöttisch. »Könnt Ihr wahrhaftig hören, was König Rakya sagt, wenn Ihr Euch eine Meile von seinem Schloß entfernt aufhaltet?«
»Ich bin hier, um die Interessen Seiner Majestät zu vertreten, Baron. Ich habe das uneingeschränkte Recht, für ihn zu reden. Das Bündnis Seiner Majestät mit Freiherr Scarpa ist nicht in einen Diamanten geschnitten. Schickt Prinz Sperber weiter. Wir wollen ihn nicht hier in Arjun!« »Und wenn ich es nicht tue?«
Milanis zuckte die Schultern. »Dann wird Seine Majestät das Bündnis außer Kraft setzen und dem tamulischen Botschafter einen vollständigen Bericht übergeben, in dem alles steht, was Ihr zu tun beabsichtigt.«
»Ich sehe schon – die alte Weisheit, daß es eine Dummheit ist, einem
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