Tamuli 3 - Das Verborgene Land
wir ihn zurückhalten können, falls er plötzlich in Wut gerät. Die Ritter an der Zugbrücke schienen sich regelrecht vor ihm gefürchtet zu haben.«
Sie stiegen die Treppe zu den königlichen Gemächern hinauf. Mirtai befand sich nicht an ihrem gewohnten Platz an der Tür, was Berit noch mehr zu denken gab. Khalad hatte recht. Hier stimmte wirklich etwas nicht.
Kaiser Sarabian in seinem purpurnen Lieblingswams und dem farblich abgestimmten hautengen Beinkleid schritt nervös auf dem blauen Teppich des Salons hin und her und zuckte beim Anblick Sperbers und Vanions zusammen.
»Majestät«, grüßte Sperber knapp und neigte den Kopf. »Schön, Euch wiederzusehen.« Er blickte sich um. »Wo ist Ehlana?« erkundigte er sich, während er seinen Helm auf den Tisch legte.
»Äh – gleich, Sperber. Wie seid Ihr am Nordkap zurecht gekommen?«
»Mehr oder weniger wie geplant. Cyrgon hat keine Macht über die Trolle. Aber wir haben jetzt ein neues Problem, das sich als sogar noch schlimmer erweisen könnte.« »Ach?«
»Ihr werdet alles erfahren, sobald Ehlana sich zu uns gesellt hat. Es ist keine so schöne Geschichte, als daß wir sie zweimal erzählen möchten.« Der Kaiser blickte Außenminister Oscagne hilfesuchend an.
»Wir sollten zuerst mit Baroneß Melidere sprechen, Prinz Sperber«, schlug Oscagne vor. »Hier ist … äh, etwas passiert. Melidere war anwesend und kann Eure Fragen deshalb besser beantworten als wir.«
»Gut.« Sperbers Stimme war ebenso ruhig wie sein Blick, wenngleich Sarabians Nervosität und Oscagnes ausweichende Antwort förmlich hinausschrien, daß etwas Furchtbares passiert war.
Baroneß Melidere saß, mit Kissen gestützt, in ihrem Bett. Sie trug ein hübsches blaues Nachtgewand, das ihr gut stand, doch der dicke Verband über ihrer rechten Schulter war ein deutlicher Hinweis, daß etwas Ernstes vorgefallen war. Ihr Gesicht war zwar bleich, doch ihr Blick fest und ruhig. Stragen saß in seinem weißen Satinwams sichtlich besorgt neben dem Bett.
»Endlich!« Melideres Stimme klang lebhaft, aber sachlich. Nach einem vernichtenden Blick auf Sarabian und seine Ratgeber stellte sie fest: »Ich sehe schon. Diese mutigen Herren möchten es mir überlassen, Euch zu berichten, was hier passiert ist, Prinz Sperber. Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen. An einem Abend vor zwei Wochen machten die Königin, Alean und ich uns bereit, zu Bett zu gehen. Es klopfte an der Tür, und vier Männer, die wir für Peloi hielten, traten ein. Ihre Schädel waren glatt rasiert, und sie trugen Peloikleidung. Aber sie waren keine Peloi. Einer von ihnen war Krager. Die drei anderen waren Elron, Baron Parok und Scarpa.« Scheinbar unbewegt sagte Sperber: »Und?«
»Wie ich sehe, habt Ihr Euch entschieden, vernünftig zu reagieren«, sagte Melidere ruhig. »Gut. Nun – erst einmal haben wir ein paar Beleidigungen gewechselt. Dann erteilte Scarpa Elron den Befehl, mich zu töten – nur um der Königin zu beweisen, daß er es ernst meinte. Elron ging mit dem Messer auf mich los, aber ich lenkte den Stoß unmerklich mit dem Handgelenk ab, ließ mich zu Boden fallen und verschmierte das Blut, damit es so aussah, als wäre ich tödlich getroffen. Ehlana warf sich wild schluchzend über mich. Aber es war nur vorgetäuscht. Sie hatte meine Verstellung bemerkt.« Die Baroneß holte einen Rubinring unter dem Kopfkissen hervor. »Für Euch, Prinz Sperber. Eure Gemahlin hat den Ring in meinem Mieder versteckt. Sie sagte: ›Richtet Sperber aus, daß mir nichts fehlt.‹ Und sie wies mich noch an: ›Sagt ihm auch, daß ich ihm verbiete, Bhelliom herzugeben, egal, was die Kerle mir anzutun drohen.‹ Genau das waren ihre Worte. Dann zog sie eine Decke über mich.« Sperber nahm den Ring und steckte ihn an einen Finger. »Ich verstehe«, sagte er mit immer noch ruhiger Stimme. »Was geschah dann, Baroneß?«
»Scarpa sagte zu Eurer Gemahlin, daß er und seine Freunde sie und Alean als Geiseln nehmen würden. Er sagte, Ihr hängt törichterweise so sehr an Ehlana, daß Ihr alles für ihre unbeschadete Rückkehr geben würdet. Offenbar hat er die Absicht, sie gegen Bhelliom auszutauschen. Krager hatte bereits ein Schreiben vorbereitet. Er schnitt eine Locke von Ehlanas Haar ab, die er zu diesem Schreiben legte. Ich nehme an, daß es noch weitere Schreiben gibt, und daß die Kerle jedem eine Strähne von Ehlanas Haar beilegen werden, um durch diese authentischen Beweise ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. – Tja,
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