Tamuli 3 - Das Verborgene Land
dann packten sie Ehlana und Alean und gingen.«
»Danke, Baroneß«, sagte Sperber ruhig. »Ihr habt erstaunlichen Mut bewiesen. Dürfte ich das Schreiben haben?«
Wieder langte Melidere unter ihr Kopfkissen. Sie brachte ein Stück zusammengefaltetes und versiegeltes Pergament zum Vorschein, das sie Sperber aushändigte.
Berit hatte seine Königin vom ersten Augenblick an – als er sie von dem Kristall geschützt auf ihrem Thron sitzen sah – geliebt, auch wenn er ihr diese Liebe nie gestanden hatte. Als Sperber nun das Siegel brach, das Pergament öffnete und behutsam die platinblonde Locke hervorholte, wurde Berit von glühender Wut gepackt. Seine Hand krampfte sich um den Schaft seiner Streitaxt.
Khalad faßte ihn am Arm, und geistesabwesend stellte Berit fest, wie kräftig der Griff seines Freundes war. »Das nutzt niemandem, Berit!« sagte er streng. »Wie wär's, wenn du mir die Axt gibst, ehe du etwas Törichtes damit anstellst?«
Berit holte zitternd tief Atem und vertrieb seine plötzliche, sinnlose Wut. »Tut mir leid, Khalad«, entschuldigte er sich. »Ich habe für einen Moment die Fassung verloren.
Aber jetzt geht es schon wieder.« Er blickte seinen Freund an. »Sperber wird dir auftragen, Krager zu töten, nicht wahr?«
»Das hat er gesagt.«
»Möchtest du ein wenig Hilfe?«
Khalad grinste ihn kurz an. »Es ist immer gut, Gesellschaft zu haben, wenn man etwas unternimmt, das bis zur Ausführung mehrere Tage Planung benötigt. Man fühlt sich dann nicht so einsam.«
Sperber las rasch das Schreiben, während seine freie Hand immer noch zärtlich Ehlanas Locke hielt. Berit sah, wie die Gesichtszüge seines Freundes beim Lesen versteinerten. Dann reichte er Vanion das Schreiben. »Ihr solltet den anderen das vorlesen«, bat er düster. Vanion nickte und nahm das Pergament. Er räusperte sich.
»›Nun denn, Sperber‹«, las er laut. »›Ich nehme an, daß Euer Wutanfall inzwischen vorüber ist. Ich hoffe, Ihr habt nicht zu viele von den Männern getötet, die Eure Gemahlin beschützen sollten.
Die Lage dürfte deutlich genug sein. Wir nehmen Ehlana als Geisel. Ihr werdet Euch doch benehmen, alter Junge, nicht wahr? Oder muß ich es ausdrücklich erwähnen? Ihr könnt Eure Frau gern zurückhaben – Ihr braucht uns bloß Bhelliom und die Ringe zum Tausch für sie zu geben. Wir lassen Euch ein paar Tage Zeit, um zu wüten und zu toben und zu versuchen, einen Ausweg zu finden. Dann, wenn Ihr wieder klar und vernünftig denken könnt und erkennt, daß Ihr gar keine andere Wahl habt, als genau das zu tun, wozu man Euch auffordert, werde ich Euch wieder ein paar Zeilen mit genauen Anweisungen zukommen lassen. Seid ein guter Junge und befolgt sie buchstabengetreu. Es würde mir wirklich keinen Spaß machen, Eure Gemahlin gezwungenermaßen zu töten. Zügelt also Euren Einfallsreichtum und versucht keinerlei törichten Schwachsinn.
Gehabt Euch wohl, Sperber, und haltet Ausschau nach meinem nächsten Brief. Ich werde ihm wieder eine Locke Ehlanas beilegen; so werdet Ihr mühelos erkennen, daß der Brief von mir ist. Lest ihn aufmerksam; denn sollte unser Briefwechsel zu lange andauern müssen, werden Eurer Gemahlin die Haare knapp, und ich müßte auf ihre Finger zurückgreifen.‹ Der Brief ist mit ›Krager‹ unterschrieben«, endete Vanion.
Mit wutverzerrtem Gesicht schmetterte Kalten die Faust an die Wand. »Das reicht!« schnaubte Vanion.
»Was werden wir tun?« rief Kalten heftig. »Wir müssen doch irgend etwas unternehmen!«
»Wir werden jedenfalls nicht acht Fuß hoch in die Luft springen und dann blindlings losstürmen«, erwiderte Vanion scharf.
»Wo ist Mirtai?« fragte Kring in plötzlich aufkommender Panik.
»Es geht ihr gut, Domi«, versicherte Sarabian. »Sie war allerdings ein bißchen aus der Fassung, als sie herausfand, was geschehen war …«
»Ein bißchen?« murmelte Oscagne. »Es bedurfte zwölf Mann, sie zu beruhigen. Sie ist in ihrer Kammer, Domi Kring – ans Bett gekettet, um ehrlich zu sein. Wir haben dort einige Wachen abgestellt, um zu verhindern, daß sie sich selbst etwas antut.« Kring drehte sich wortlos um und verließ Melideres Schlafgemach.
»Wir ermüden Euch, Baroneß, nicht wahr?« fragte Sarabian besorgt.
»Nicht im geringsten, Majestät«, erwiderte Melidere ruhig. Sie ließ den Blick über ihre Besucher schweifen. »Es ist ein wenig eng hier. Wie wär's, wenn wir uns in den Salon zurückziehen? Ich könnte mir vorstellen, daß wir uns noch die ganze
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