Tamuli 3 - Das Verborgene Land
eines neuerlich aufkommenden Graupelschauers. »Es ist Zeit, die Pferde zu füttern und zu tränken«, brummte er. »Machen wir den Novizen ein wenig Dampf unter dem Hintern. Die Kerle sitzen nur herum und protzen mit ihren Adelstiteln. Ein bißchen Arbeit kann ihnen nicht schaden!«
»Du kannst Aristokraten nicht ausstehen, stimmt's?« fragte Berit, während sie sich am Pferch entlang zu den windgepeitschten Zelten der Ritteranwärter kämpften. »Nein, das ist es nicht. Ich habe nur keine Geduld mit ihnen. Und ich verstehe nicht, wie sie so blind gegenüber allem sein können, was um sie herum geschieht. Ein Titel muß etwas schrecklich Schweres sein, wenn man so sehr daran zu tragen hat, daß man sich um nichts anderes mehr kümmert.«
»Irgendwann wirst du selbst ein Ritter. Das ist dir doch klar, oder?«
»Das war nicht meine Idee! Sperber hat manchmal lächerliche Einfälle. Er bildet sich offenbar ein, meinem Vater Ehre zu erweisen, indem er meine Brüder und mich zu Rittern macht. Ich bin sicher, Vater hätte das als lächerlich empfunden.«
Sie erreichten die Zelte, und Khalad hob die Stimme. »Meine Herren!« rief er. »Steht nicht untätig herum! Macht euch daran, die Pferde zu füttern und zu tränken!« Dann begutachtete er kritisch den Pferch. Fünftausend Pferde hinterlassen eine Menge Beweise für ihre Anwesenheit. »Ich finde, es ist mal wieder an der Zeit, unseren Novizen eine Lektion in der Tugend der Demut zu erteilen«, sagte er leise zu Berit. Dann rief er: »Und wenn ihr damit fertig seid, holt ihr Schaufeln und Schubkarren herbei! Wir möchten doch nicht, daß uns die Arbeit über den Kopf wächst, nicht wahr, meine Herren?«
Berit war noch nicht sehr bewandert, was einige der subtileren Erscheinungen der Magie betraf. Dieser Teil der pandionischen Ausbildung erforderte ein lebenslanges Studium. Doch er war bereits so weit fortgeschritten, daß er eine ›Einmischung‹ erkannte, wenn sie stattfand. Der Ausleger plagte sich scheinbar unendlich langsam vorwärts, doch der ungleichmäßige Wechsel der Jahreszeiten verriet so allerlei. Zum einen hätte es viel mehr Zeit in Anspruch nehmen müssen, der eisigen Kälte des hohen Nordens zu entkommen, und zum anderen hätten die Tage nicht in so kurzer Zeit so viel länger werden dürfen. Wie und von wem das auch bewerkstelligt wurde – viel früher, als es eigentlich menschenmöglich gewesen wäre, landeten die Gefährten an einem goldenen Spätherbsttag nur wenige Meilen nördlich von Matherion an einem Sandstrand und führten die Pferde watend von den schwankenden Flößen an Land.
»Kurze Reise«, stellte Khalad lakonisch fest, während er und Berit beobachteten, wie die Novizen die Pferde abluden.
Berit lachte. »Es ist dir also nicht entgangen.«
»Sie gingen ja auch nicht gerade mit sehr viel Fingerspitzengefühl vor. Als die Gischtspritzer plötzlich von einer Minute zur anderen in meinem Bart gefroren, hab' ich mir so meine Gedanken gemacht.« Er blickte Berit fragend an. »Ist Magie sehr schwer zu erlernen?«
»Die Magie eigentlich nicht – im Unterschied zur styrischen Sprache, die keine regelmäßigen Verben kennt. Außerdem gibt es neun Tempora.«
»Berit, bitte rede in verständlichem Elenisch!«
»Du weißt doch, was ein Verb ist, nicht wahr?«
»So ungefähr. Aber was ist ›Tempora‹?«
Diese Fragen halfen Berit irgendwie, sich ein wenig besser zu fühlen. Khalad wußte nicht alles. »Wir werden daran arbeiten«, versprach er seinem Freund. »Vielleicht hat Sephrenia ein paar Vorschläge.«
Die Sonne ging in einer wahren Farbenpracht unter, als sie durch das schimmernde Tor in Matherion mit seinen schillernden Kuppeln einritten. Als sie die Schloßanlage erreichten, war es bereits dunkel.
»Was haben die Burschen denn alle?« murmelte Khalad, während sie durchs Tor trotteten.
»Wie meinst du das?« fragte Berit verwirrt.
»Benutz deine Augen, Mann! Die Wachen am Tor haben Sperber angestarrt, als hätten sie damit gerechnet, daß er jeden Moment explodiert oder sich in einen Drachen verwandelt! Da stimmt etwas nicht, Berit!«
Der Hauptteil der Ordensritter begab sich über den dunklen Rasen zu ihren Kasernenunterkünften, während die übrigen zu Pferde, mit klappernden Hufen, die Zugbrücke zu Ehlanas Burg überquerten. Auf dem fackelhellen Burghof saßen sie ab und betraten einzeln und in kleinen Gruppen die Burg.
»Hier ist es sogar noch schlimmer«, murmelte Khalad. »Bleiben wir lieber dicht bei Sperber, damit
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