Tamuli 3 - Das Verborgene Land
untersuchte sorgfältig den Huf. Faran bedachte ihn mit einem unfreundlichen Blick.
»Tut mir leid«, entschuldigte Khalad sich bei dem übelgelaunten Tier, »ist nichts Wichtiges.« Er ließ den Huf wieder auf den Boden sinken. »Gut jetzt, Berit. Sag Amen, dann reiten wir weiter.«
»Was sollte das eigentlich?« erkundigte Berit sich leicht verärgert, als er wieder aufsaß.
»Sperber hat uns eine Nachricht hinterlassen«, erwiderte Khalad, nachdem er sich in den Sattel geschwungen hatte. »Die Anordnung der gelben Steine verriet mir, wo ich sie finden kann.«
»Und? Wo ist sie?« erkundigte Berit sich aufgeregt.
»Zur Zeit in meinem linken Stiefel. Ich hab' sie aufgehoben, als ich scheinbar Farans Huf untersuchte.«
»Ich habe gar nicht gesehen, daß du überhaupt etwas aufgehoben hast.« »Das solltest du auch nicht!«
Der Lärm gellender Schreie riß Krager aus unruhigem Schlaf. Schon lange verschwammen Tage und Nächte in seinem Bewußtsein, und vermischten sich, doch die grelle Sonne auf seinen Lidern versicherte ihm, daß es Vormittag war – ein schrecklicher Vormittag. Er hatte vergangene Nacht gar nicht so viel saufen wollen, doch die Erkenntnis, daß er dem Boden seines letzten arzischen Rotweins nahe war, hatte ihm in gesteigertem Maße zu schaffen gemacht, je mehr er getrunken hatte. Und die schreckliche Gewißheit, daß bald der letzte Tropfen des edlen Trankes durch seine Kehle rinnen würde, hatte seinem benommenen Verstand geradezu den Zwang auferlegt, auch den letzten Rest Wein zu trinken, ehe er ihm irgendwie verlorengehen könnte.
Jetzt mußte er für diese Dummheit bezahlen. Sein Schädel schien jeden Augenblick bersten zu wollen, sein Magen stand in Flammen und er hatte einen scheußlichen Geschmack im Mund. Dazu zitterte er heftig am ganzen Leib, und Dolche schienen in seine Leber zu stechen.
Er setzte sich an den Rand seines zerwühlten Bettes und vergrub den Kopf in den Händen. Das Gefühl bevorstehenden Unheils lastete schwer auf ihm. Er ließ die brennenden Augen geschlossen und tastete mit einer bebenden Hand nach einer unter der Matratze versteckten Flasche, die er für den Notfall stets dort aufbewahrte. Ihr Inhalt war weder Wein, noch Bier, sondern eine gräßliche Mischung lamorkischen Ursprungs, die dadurch entstand, daß man bestimmte minderwertige Weine im Winter der Kälte aussetzte und sie gefrieren ließ. Das bißchen Flüssigkeit, die dabei nicht gefror und emporstieg, war fast reiner Alkohol und schmeckte gräßlich, vertrieb jedoch die quälenden Träume und Trugbilder. Schaudernd trank Krager einen Becher von dem ekligen Gesöff und plagte sich auf die Füße.
Die Sonne blendete schmerzhaft, als Krager hinaus auf die Straßen von Natayos wankte, um dem Grund für die schrecklichen Schreie nachzugehen, die ihn aus dem Schlaf gerissen hatten. Er gelangte auf einen größeren Platz und fuhr entsetzt zusammen. Mehrere Männer wurden mit beinahe systematischer Grausamkeit zu Tode gefoltert, und Scarpa schaute zufrieden zu. Er war in seine schäbige, nachgeahmte Monarchenrobe gewandet, trug die zusammengestümperte Krone auf dem Kopf und saß auf einem geschnitzten Sessel, seinem ›Thron‹.
»Was geht hier vor?« wollte Krager von Cabah wissen, einem heruntergekommenen dazitischen Räuber, mit dem er sich häufig bis zur Bewußtlosigkeit betrank. Cabah drehte sich rasch um. »Oh, du bist es, Krager! Soviel ich verstanden habe, sind die Leuchtenden über Panem-Dea hergefallen!«
»Unmöglich!« entgegnete Krager knapp. »Ptaga ist tot. Es gibt niemanden mehr, der den Tamulern mit Illusionen Angst und Schrecken einjagen könnte.«
»Wenn man glauben kann, was einige dieser Sterbenden behaupteten, waren die Leuchtenden, die in Panem-Dea einfielen, keine Trugbilder«, versicherte Cabah ihm. »Mehrere Offiziere, die mutig genug waren, ihnen entgegenzutreten, haben sich vor den Augen ihrer entsetzten Kameraden in ihre Bestandteile aufgelöst.«
»Und was soll das hier?« Krager zeigte auf die Schreienden, die an Pflöcke in der Mitte des Platzes gefesselt waren.
»Scarpa zeigt aller Welt, was er mit jenen macht, die davongelaufen sind. Er läßt sie in Stücke hauen. Ah, da kommt Cyzada!« Er deutete auf den Styriker, der aus Scarpas Hauptquartier gerannt kam.
»Was macht Ihr da?« brüllte der hohläugige Cyzada den Wahnsinnigen auf seinem behelfsmäßigen Thron an.
»Die Kerle sind Deserteure!« erklärte Scarpa. »Dafür werden sie bestraft.« »Ihr braucht jeden
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