Tamuli 3 - Das Verborgene Land
stellt keine metaphysischen Fragen, Itagne«, stöhnte Ulath mit gequälter Miene. »Wir begeben uns einfach wieder zu der Stelle, an der wir die Trolle verließen, und dort sind sie. Wir kümmern uns um das Wo und überlassen das Wann den Trollgöttern. Offensichtlich sind sie in der Lage, in der Zeit umherzuspringen, ohne groß auf die Regeln zu achten.«
»Ist da etwas, das wir wissen sollten, Tynian-Ritter?« fragte Engessa.
Ulath lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Cyrgon hat die Verhaltensweise der Trolle empfindlich gestört, als er nach Thalesien ging und sich als Ghworg ausgab«, erklärte er düster. »Zalasta erzählte ihm von den Trollen, doch Cyrgon kennt sich kaum noch mit der Jetztzeit aus und hat die Trolle mit den Urmenschen verwechselt. Die Urmenschen waren Herdenwesen, während die Trolle in Rudeln zusammengeschlossen sind. Herdentiere akzeptieren jedes Mitglied ihrer Gattung; doch Rudeltiere sind da wählerischer. Es ist momentan ein Vorteil für uns, daß sich die Trolle wie eine Herde verhalten. So können wir zumindest dafür sorgen, daß sie alle in die gleiche Richtung laufen. Aber zweifellos wird es zu irgendwelchen Problemen kommen. Die Rudel beginnen sich aufzulösen, und es gibt bereits eine Menge Geknurre und Geschnaufe.«
Tynian warf einen verstohlenen Blick auf Königin Betuana, die ganz in Schwarz ein wenig abseits von ihnen saß. Leise fragte er Engessa: »Ist doch alles in Ordnung mit ihr, oder?«
»Betuana-Königin ist in ritueller Trauer«, erwiderte Engessa mit ebenfalls gesenkter Stimme. »Der Verlust ihres Gemahls hat sie sehr tief getroffen.« »Waren sie einander wirklich so eng verbunden?«
»Es hatte nicht den Anschein«, gab Engessa zu. Er wirkte besorgt, als er seine schwermütige Königin ansah. »Das alte Trauerritual wird heutzutage selten gepflegt. Ich passe gut auf sie auf. Sie darf keine Gelegenheit bekommen, sich etwas anzutun.« Engessas Schultermuskeln spannten sich.
Tynian fragte erschrocken: »Besteht denn eine solche Gefahr wirklich?«
»Bis vor einigen Jahrhunderten war so etwas nicht ungewöhnlich«, antwortete Engessa.
»Wir haben euch schon früher erwartet«, sagte Itagne zu Ulath. »So, wie ich es verstehe, bedeutet Nichtzeit, daß die Trolle sich praktisch ohne Zeitverlust von einem Ort zum anderen begeben können.«
»Nicht ganz, Itagne. Wir haben ungefähr eine Woche gebraucht, um von den Tamulischen Bergen hierher zu gelangen. Wir mußten immer wieder anhalten und in die wirkliche Zeit zurückkehren, damit die Trolle jagen konnten. Hungrige Trolle sind keine angenehmen Reisegefährten. Aber berichtet Ihr uns doch jetzt einmal, was sich getan hat. Wir können uns in der Nichtzeit nicht mit Aphrael in Verbindung setzen.«
»Sperber hat einige Hinweise auf die geographische Lage Cyrgas gefunden«, antwortete Itagne. »Sie sind nicht allzu genau, aber er versucht trotzdem, diesen Spuren zu folgen.«
»Wie kommt Patriarch Bergsten zurecht?«
»Er hat Cynestra erobert – oder besser gesagt, es wurde ihm auf einem silbernen Tablett serviert.«
»Ach?«
»Erinnert Ihr Euch an Atana Maris?«
»Das hübsche Mädchen, das die Garnison in Cynestra befehligt? Das Euch so sehr mochte?«
Itagne lächelte. »Genau die. Sie ist ein ziemlich impulsives Geschöpf. Als sie Bergsten mit den Ordensrittern kommen sah, beschloß sie, ihm die Stadt als Präsent zu verehren. Sie ließ die cynesganischen Truppen von den Straßen jagen, und öffnete das Stadttor. Sie wollte Bergsten sogar König Jaluahs Kopf überreichen, doch das konnte er ihr ausreden.«
»Wie schade«, brummte Ulath. »Aber das ist wohl zu erwarten, wenn ein guter Krieger es plötzlich mit der Religion hält.«
»Vanion hat Stellung bezogen«, fuhr Itagne fort. »Er und Kring haben in Cynesga Befestigungen errichtet – etwa einen Tagesritt von der Grenze entfernt. Wir werden hier ihrem Beispiel folgen. Wir wollten damit nur bis zu Eurer Ankunft warten.« »Ist irgend jemand auf heftigen Widerstand gestoßen?« erkundigte sich Tynian. »Schwer zu sagen«, murmelte Itagne nachdenklich. »Wir marschieren auf Mittelcynesga zu, doch Klæls Soldaten scheinen aus jedem Spalt zwischen zwei Steinen zu springen. Je weiter wir sie zurückdrängen, desto geschlossener werden dann ihre Streitkräfte sein. Wenn uns nichts einfällt, wie wir diese Truppen lahmlegen können, müssen wir uns einen Weg durch sie hindurchhauen, und nach allem, was ich von Vanion weiß, dürfte das ein schwieriges
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