Tamuli 3 - Das Verborgene Land
sich über den Ausgang dieser Kombination von Hieben im klaren gewesen. Nicht so Cyrgon. Der Stoß, der ihn durchbohrte, kam für ihn völlig unerwartet. Der Gott erstarrte, und das Schwert entfiel seiner kraftlosen Faust, als er zurückschwankte.
Sperber richtete sich auf und hob salutierend die blutige Klinge. »Neue Technik, Cyrgon«, sagte er scheinbar gleichmütig. »Du bist wirklich nicht schlecht, aber man muß stets auf dem neuesten Stand sein, verstehst du.«
Cyrgon sank auf den gepflasterten Hof, und sein unsterbliches Leben floß aus dem klaffenden Schnitt in seinem Harnisch. »Wirst du dir nun die Welt nehmen, Anakha?« keuchte er.
Sperber kauerte sich neben den niedergestreckten Gott. »Nein, Cyrgon«, antwortete er müde. »Ich will die Welt nicht. Nur ein ruhiges, kleines Fleckchen davon.« »Warum hast du dich mir dann in den Weg gestellt?«
»Weil ich auch nicht wollte, daß du sie bekommst. Denn hättest du sie gehabt, wäre mir mein kleines Stück nicht sicher gewesen.« Er griff nach der bleichen Hand des Gegners. »Du hast gut gekämpft, Cyrgon. Sei meiner Achtung gewiß. Heil dir!« Cyrgons Stimme war nur noch ein Wispern, als er erwiderte: »Heil dir, Anakha.« Ein ohrenbetäubendes, verzweifeltes Wutgeheul erschallte. Sperber schaute auf und sah einen rußigroten menschenähnlichen Schemen zum morgengrauen Himmel emporschießen, als Klæl seine endlose Reise zum fernsten Stern und darüber hinaus fortsetzte.
33
Irgendwo wurde gekämpft – deutlich waren das Klirren von Stahl auf Stahl und Schreie zu hören – doch Ehlana vernahm diese Geräusche kaum, als sie auf den Platz hinunterstarrte, der zwischen der Tempelruine und dem kaum weniger zerstörten Schloß lag.
Die Sonne stand nun hoch am östlichen Horizont und füllte die antiken Straßen Cyrgas mit hartem Licht. Die Königin von Elenien war erschöpft, doch ihre Gefangenschaft hatte ein Ende, und mit ihr alle Not. Nun verspürte sie nur noch den Wunsch, sich in der Umarmung ihres Gemahls zu verlieren. Ehlana begriff nicht viel von dem, was sie eben gesehen hatte, und sie wußte auch nicht, ob es von Bedeutung für sie war. Sie stand an der Brustwehr, die Kindgöttin auf den Armen, und blickte auf ihren unbesiegbaren Streiter tief unten hinab.
»Meinst du, wir könnten es jetzt unbeschadet wagen, uns hinunterzubegeben?« fragte sie die kleine Göttin.
»Die Treppe ist verschüttet, Ehlana«, meldete Mirtai sich zu Wort. »Das kann ich in Ordnung bringen«, versicherte Flöte.
»Vielleicht sollten wir lieber hier oben bleiben«, meinte Bevier mit besorgter Miene. »Cyrgon und Klæl sind zwar verschwunden, aber Zalasta ist immer noch irgendwo da draußen. Er könnte versuchen, der Königin wieder habhaft zu werden, um sich mit ihr als Geisel die Freiheit zu erkaufen.«
»Das soll er lieber nicht versuchen!« sagte die Kindgöttin mit unheilvoller Stimme. »Ehlana hat recht. Gehen wir hinunter.«
Sie kehrten in den Saal zurück und durchquerten ihn, um zur Treppe zu gelangen. Staubwolken wirbelten auf. Talen blickte Flöte fragend an. »Was hast du getan? Wo sind all die Trümmer?«
Sie zuckte die Schultern. »Ich habe sie zu Staub zerfallen lassen.«
Die Wendeltreppe schlängelte sich an der inneren Turmwand entlang in die Tiefe. Kalten und Bevier, die Schwerter in den Fäusten, stiegen voraus und vergewisserten sich beim Erreichen eines jeden Stockwerks, daß ihnen niemand auflauerte. Die oberen drei oder vier Geschosse waren leer, doch kurz bevor die Gefährten bei einem Stockwerk etwa auf halber Höhe des Turmes anlangten, zischte Xanetia plötzlich scharf: »Da kommt jemand!« »Wo?« erkundigte sich Kalten. »Wie viele?« »Zwei. Sie kommen uns auf der Treppe entgegen.«
»Ich kümmere mich um sie!« murmelte Kalten und packte den Schwertgriff noch fester.
»Tu nichts Törichtes!« mahnte Alean.
»Töricht sind die Burschen, die jetzt diese Treppe heraufkommen, Liebste. Bleib bei der Königin.« Er ging leise voraus.
»Ich komme mit!« erklärte Mirtai. »Bevier, Ihr seid jetzt an der Reihe, Ehlana zu bewachen.«
»Aber …«
»Psst!« befahl sie. »Tut, was ich sage!«
»Jawohl, Herrin.« Mit leichtem Lächeln gab er nach.
Stimmengemurmel war zu vernehmen.
Ehlana erkannte einen der Männer, die näher kamen. »Santheocles!« flüsterte sie.
»Und der andere?« fragte Xanetia.
»Ekatas.«
»Ah!« hauchte Xanetia und zog angespannt die Stirn kraus. »Es ist nicht genau zu erkennen«, entschuldigte sie sich, »aber mir
Weitere Kostenlose Bücher