Tamuli 3 - Das Verborgene Land
›defenestrieren‹ aus dem Fenster werfen?«
»Natürlich. Stragen hat diesen Begriff in Matherion benutzt.«
»Oh!« Kalten war leicht errötet.
»Was habt Ihr denn gedacht, was das Wort bedeutet?«.
»Äh – schon gut, Mirtai. Vergeßt einfach, daß ich überhaupt etwas gesagt habe.« Er blickte die anderen an. »Gehen wir hinunter«, schlug er vor. »Ich glaube nicht, daß sich uns noch irgend jemand in den Weg stellen wird.«
Ehlana brach plötzlich in Tränen aus. »Ich kann nicht!« jammerte sie. »So kann ich mich vor Sperber nicht sehen lassen!« Sie legte eine Hand auf das Tuch, das ihr geschändetes Haupt bedeckte.
»Machst du dir deshalb immer noch Gedanken?« fragte Aphrael. »Ich sehe einfach grauenvoll aus!«
Aphrael verdrehte die Augen himmelwärts. »Gehen wir da hinein.« Die Kindgöttin blickte zum Saal. »Ich bringe es wieder in Ordnung, wenn es dir so wichtig ist.« »Kannst du das denn?« fragte Ehlana aufgeregt.
»Selbstverständlich.« Aphrael blickte sie an und überlegte. »Soll ich die Farbe ändern? Oder möchtest du es lieber lockig?«
Die Königin schürzte die Lippen. »Vielleicht sollten wir uns darüber noch unterhalten«, meinte sie.
Die Cynesganer, welche die Außenmauer der Verborgenen Stadt bemannten, waren von vornherein keine sonderlich guten Krieger, und als die Trolle aus der Nichtzeit auftauchten und die Mauer zu ihnen hinaufkletterten, vergaßen sie ihre Pflicht und flohen.
»Habt Ihr den Trollen aufgetragen, das Tor für uns zu öffnen?« wollte Vanion von Ulath wissen.
»Jawohl, Hochmeister«, antwortete der Genidianer. »Aber es könnte eine Zeitlang dauern, bis sie sich daran erinnern. Sie sind jetzt sehr hungrig und werden erst einmal frühstücken.«
»Wir müssen hinein, Ulath!« drängte Sephrenia. »Wir müssen die Sklavenpferche beschützen!«
»O Gott!« stieß er hervor. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Die Trolle können die Sklaven nicht von den Cynesganern unterscheiden!«
»Ich sehe mich um!« erbot sich Khalad. Er schwang sich von seinem Pferd und rannte zu dem schweren Holztor. Schon Augenblicke später kam er zurück. »Das dürfte kein großes Problem sein, erhabene Sephrenia«, versicherte er. »Das Tor wird auseinanderfallen, wenn Ihr bloß niest.« »Ich verstehe nicht.«
»Das Holz ist uralt, Erhabene, und völlig morsch. Mit Eurer Erlaubnis, Hochmeister Vanion, suche ich ein paar Männer aus und fertige einen Widder an. Damit rammen wir das Tor.« »Tut das«, erwiderte Vanion. »Komm mit, Berit!« forderte Khalad seinen Freund auf.
»Dieser junge Mann schafft es immer wieder, mir ein Gefühl der Unzulänglichkeit zu vermitteln«, brummte Vanion, während sie dem Paar nachblickten, das zu den wartenden Rittern zurücktrabte.
»Wenn ich mich recht entsinne, hatte schon sein Vater diese Wirkung auf dich«, sagte Sephrenia.
Kring kam um die Mauer zurückgaloppiert. »Freund Bergsten bereitet sich darauf vor, das Nordtor zu stürmen«, meldete er.
»Gebt ihm Nachricht, daß er vorsichtig sein soll, Freund Kring«, riet Betuana. »Die Trolle sind bereits in der Stadt – und sie sind sehr hungrig. Vielleicht wäre es besser, Bergsten würde mit dem Angriff noch eine Weile warten.«
Kring nickte bestätigend. »Eine Zusammenarbeit mit Trollen verleiht den Dingen ganz neue Perspektiven, findet Ihr nicht auch, Betuana-Königin? Im Kampf sind sie sehr gute Verbündete, aber man darf sie auf keinen Fall hungrig werden lassen.« Etwa zehn Minuten später zogen Khalad und mehrere Dutzend Ritter einen gewaltigen Baumstamm vor das Tor, schoben ihn in Seile, die an mehreren behelfsmäßigen Dreibeinen befestigt waren, und rammten ihn gegen das morsche Holz. Roter Staub löste sich aus dem Tor; es begann zu wanken und fiel dann in sich zusammen.
»Los!« erteilte Vanion seiner bunt zusammengewürfelten Armee den Befehl zum Sturm und führte sie in die Stadt. Auf Sephrenias Drängen eilten die Ritter sofort zu den Pferchen, befreiten die geketteten Sklaven und brachten sie aus der Stadt in Sicherheit. Dann erst wandten sich Vanions Streitkräfte der inneren Mauer zu, die den steilen Berg in der Mitte Cyrgas beschützte.
»Wie lange wird das dauern, Ritter Ulath?« Vanion deutete auf eine Schar gierig fressender Trolle.
»Schwer zu sagen, Hochmeister Vanion«, antwortete Ulath. »Ich glaube aber nicht, daß wir viel Unterstützung von ihnen erwarten können, solange hier in der äußeren Stadt noch Cynesganer straßauf und straßab
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