Tamuli 3 - Das Verborgene Land
»Ich wollte, ich hätte meine Axt dabei«, murmelte er. »Sag so was ja nicht laut, Berit!« rügte Khalad. »Sperber kämpft nie mit der Streitaxt. Das weiß Krager, und möglicherweise steht einer dieser Seeleute in seinen Diensten.« »Jetzt noch? Nach dem Erntedankfest?«
»Es ist noch nie jemandem eingefallen, wie man alle Ratten töten kann, Hoheit, und hier genügt schon ein einziger Spitzel. Benehmen wir uns also am besten so, als würden wir ständig beobachtet und belauscht – nur um sicherzugehen.«
»Ich werde mich viel besser fühlen, wenn wir erst wieder an Land sind. Mußten wir diesen Streckenabschnitt denn unbedingt mit dem Schiff fahren?«
»Das ist so üblich.« Khalad zuckte die Schultern. »Keine Angst, wir können uns diese Burschen vom Leibe halten, wenn's sein muß.«
»Darum geht es mir gar nicht, Khalad. Dieser Eimer wankt durchs Wasser wie ein Wal mit verstauchtem Rücken. Es wühlt meinen Magen auf!«
»Kaut ein Stück trockenes Brot.« Khalad kehrte vorsichtshalber wieder zur förmlichen Anrede zurück.
»Lieber nicht. Es ist wirklich scheußlich, Khalad!«
»Aber wir stecken mitten in einem Abenteuer, Hoheit«, sagte Khalad gutgelaunt.
»Wiegt der Reiz dieses Erlebnisses die Unannehmlichkeit nicht auf?«
»Nein, wahrhaftig nicht!«
»Ihr wolltet doch ein Ritter sein.«
»Ja, schon – nur versuche ich jetzt, mich zu erinnern, weshalb.«
Patriarch Emban war höchst ungehalten. »Das ist wirklich ungeheuerlich, Vanion!« beschwerte er sich, während er neben den anderen her zur Kapelle im Westflügel watschelte. »Wenn Dolmant je erfährt, daß ich an einem geweihten Ort die Ausübung von Hexerei duldete, wird er mich meines Amtes entheben!«
»Es ist der sicherste Ort, Emban«, erklärte Vanion. »Die Behauptung, ›heilige Rituale‹ zu vollziehen, verschafft uns einen guten Vorwand, sämtliche Tamuler aus dem Westflügel zu entfernen. Außerdem wurde die Kapelle wahrscheinlich ohnehin nie richtig geweiht. Ihr dürft nicht vergessen, daß dies nur die Nachbildung einer Burg ist, die lediglich dazu dienen sollte, daß Elenier sich hier wie zu Hause fühlen. Die Erbauer hätten ja gar nicht wissen können, wie das Ritual der Weihe bei uns aussieht.«
»Ihr wißt nicht mit Sicherheit, daß die Kapelle nicht geweiht wurde!«
»Und Ihr nicht, daß sie geweiht wurde. Wenn es Euch so zu schaffen macht, Emban, könnt Ihr sie ja neu weihen, sobald wir fertig sind.«
Emban erblaßte. »Ist Euch klar, was alles dazu gehört? Das stundenlange Beten, das schier endlose Knien vor dem Altar, das Fasten!« Sein pausbäckiges Gesicht wurde noch blasser. »Großer Gott, das Fasten!«
Sephrenia, Flöte und Xanetia hatten sich bereits einige Stunden zuvor in die Kapelle gestohlen. Nun saßen sie unauffällig in einer Ecke und lauschten einem Chor Ordensritter, die Kirchenlieder sangen.
Emban und Vanion diskutierten immer noch heftig, als sie sich den Damen anschlossen. »Was habt ihr für ein Problem?« erkundigte sich Sephrenia.
»Patriarch Emban und Hochmeister Vanion sind sich nicht einig, ob die Kapelle geweiht ist oder nicht, kleine Mutter«, erklärte Kalten.
»Sie ist nicht geweiht«, warf Flöte gleichmütig ein.
»Woher willst du das wissen?« fragte Emban heftig.
Sie blickte ihn betont geduldig an. »Wer bin ich denn, Eminenz?«
Er blinzelte. »Oh! Irgendwie vergesse ich das immer. Gibt es tatsächlich eine Möglichkeit für dich, zu erkennen, ob ein Ort geweiht ist oder nicht?«
»Natürlich! Glaub mir, Emban, diese Kapelle wurde eurem elenischen Gott nie geweiht.« Sie machte eine Pause. »Doch es gibt hier eine Stelle, gar nicht so weit von hier, die vor etwa achtzehntausend Jahren einem Baum geweiht wurde.« »Einem Baum?«
»Es war ein sehr schöner Baum – eine Eiche. Aus irgendeinem Grund ist es immer eine Eiche. Eine Ulme, zum Beispiel, will offenbar nie jemand anbeten. Früher haben viele Völker Bäume verehrt. Bei denen wußte man, woran man war – bei den Bäumen, meine ich.«
»Wie kann jemand, der bei klarem Verstand ist, einen Baum anbeten?«
»Wer behauptet denn, daß religiöse Menschen bei klarem Verstand sind? Manchmal verwirrt ihr Sterblichen uns ganz gewaltig, weißt du.«
Da es hier in den meisten Fällen darum ging, das Aussehen zu ändern, hatten Sephrenia und Xanetia ein bißchen experimentiert und den Zauber abgewandelt, durch den Berit äußerlich zu Ritter Sperber geworden war. Für Sperber selbst war kein Austausch nötig; deshalb veränderten
Weitere Kostenlose Bücher