Tamuli 3 - Das Verborgene Land
Umständen ist Kring vielleicht nicht bereit, Matherion zu verlassen.«
»Wir kommen auch ohne ihn zurecht, wenn es sein muß«, meinte Vanion, »ich kann mich direkt mit Tikume in Verbindung setzen. Mit Kring wäre es einfacher, doch es geht auch ohne ihn, falls er wirklich glaubt, Mirtai könnte eine Dummheit anstellen.« Emban nickte. »Weiter: Kaiser Sarabian, Minister Oscagne und ich bleiben hier in Matherion – sozusagen, um die Stellung zu halten. Die Kindgöttin wird uns auf dem laufenden halten, dafür sorgen, daß wir miteinander in Verbindung bleiben. Habe ich irgend etwas ausgelassen?« »Und was soll ich tun, Emban?« fragte Danae.
»Du bleibst bei uns in Matherion, königliche Hoheit«, antwortete Emban, »um unsere düsteren Tage und Nächte mit deinem Lächeln zu erhellen.«
»Machst du dich über mich lustig, Emban?«
»Natürlich nicht, Prinzessin.«
Mirtai als todunglücklich zu bezeichnen, wäre eine kaum zu übertreffende Untertreibung gewesen. Sie war gekettet, als Kring sie mit trostloser Miene zur Ratskammer brachte.
»Was ich ihr auch sage, sie hört auf nichts«, erklärte der Domi. »Ich glaube, sie hat sogar vergessen, daß wir einander versprochen sind.«
Die bronzehäutige Riesin blickte stumpf vor sich hin und ließ sich sogleich in hoffnungslosem Elend auf den Boden sinken.
»Sie hat ihre Pflicht gegenüber ihrer Besitzerin vernachlässigt«, sagte Betuana schulterzuckend. »Sie muß Ehlana entweder rächen oder sterben.«
»O nein, Majestät!« sagte Sperbers Tochter mit fester Stimme. Sie rutschte vom Sessel in der Ecke hinunter, von dem aus sie die Besprechung verfolgt hatte, setzte Rollo in der einen und Murr in der anderen Sesselecke ab und ging mit geschäftsmäßiger Miene zu Mirtai hinüber. »Atana Mirtai«, befahl sie scharf, »steh auf!«
Mirtai blickte sie stumpf an; dann erhob sie sich langsam und mit klirrender Kette.
»In Abwesenheit meiner Mutter bin ich die Königin!« erklärte Danae.
Sperber blinzelte.
»Du bist nicht Ehlana«, sagte Mirtai.
»Das behaupte ich auch nicht. Ich stelle lediglich eine nicht zu widerlegende Tatsache fest. Sarabian, ist es nicht so? Geht die Macht meiner Mutter nicht auf mich über, solange sie fort ist?«
»Nun – formalrechtlich gesehen, ja, glaube ich.«
»Formalrechtlich? Daß ich nicht lache! Ich bin Königin Ehlanas Thronerbin. Ich übernehme ihr Amt, bis sie zurückkehrt. Das wiederum bedeutet, daß bis zu ihrer Rückkehr alles mir gehört, was ihr Eigentum ist – ihr Thron, ihre Krone, ihr Geschmeide und ihre persönliche Sklavin.«
»Ich würde nicht gern vor Gericht gegen sie antreten müssen«, gestand Emban.
»Danke, Eminenz«, sagte Danae. »Also dann, Atana Mirtai, du hast es gehört. Du bist jetzt mein Eigentum!«
Mirtai funkelte sie finster an.
»Laß das!« fauchte Danae. »Und hör gut zu! Ich bin deine Besitzerin, und ich verbiete dir, dich selbst zu töten. Ebenso verbiete ich dir, wegzulaufen. Ich brauche dich hier. Du wirst bei Melidere und mir bleiben, und du wirst uns beschützen. Du hast bei meiner Mutter versagt. Versage nicht auch bei mir.«
Mirtai erstarrte; dann sprengte sie mit einer heftigen Drehung der Arme ihre Kette. »Ich werde gehorchen, Majestät«, stieß sie hervor, und ihre Augen blitzten. Mit selbstzufriedenem Lächeln blickte Danae in die Gesichter der anderen. »Na, seht ihr? So schwierig war das doch gar nicht.«
4
Es war ein kleiner Einmaster, ein Küstenschiff mit leckem Boden und geflickten Segeln. Man konnte auch mit bestem Willen nicht behaupten, daß es in flotter Fahrt das Wasser durchschnitt. Statt dessen trieb es träge voran. Berit und Khalad, in ihren Kettenhemden und den Reiseumhängen darüber, standen am Bug und blickten über die bleigraue Weite der Bucht von Micae, durch die sich das heruntergekommene Schiff plagte. »Ist das da vorn die Küste?« fragte Berit hoffnungsvoll.
Khalad spähte über das Kabbelwasser. »Nein, nur eine Wolkenbank. Wir sind nicht gerade schnell, Hoheit. Ich fürchte, heute werden wir die Küste nicht mehr erreichen.« Er warf einen raschen Blick über die Schulter und senkte die Stimme. »Bleib nach Sonnenuntergang auf der Hut! Die Besatzung dieses Eimers besteht offenbar aus fragwürdigem Hafengesindel, und der Kapitän scheint nicht viel besser zu sein. Ich glaube, wir sollten heute nacht abwechselnd die Augen offen halten.« Auch Berit blickte nun zum Heck auf die keineswegs Vertrauen einflößende Meute, die an Deck herumlungerte.
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