Tamuli 3 - Das Verborgene Land
Sperber!«
»Natürlich. War das alles?« Sperber bemühte sich um eine gleichmütige, beinahe unpersönliche Stimme. Wichtig war, nicht nur im Äußeren, sondern auch innerlich, in den Gefühlen und Gedanken, ein anderer Mensch zu sein.
»Seid vorsichtig und versucht, Euer Temperament im Zaum zu halten.«
Sperber nickte. »Schauen wir nach, wie die anderen zurechtkommen.«
Die Veränderungen waren verwirrend, daran bestand kein Zweifel. Es war schwer zu erkennen, wer gerade redete, und manchmal verblüffte es Sperber, wer seine Fragen beantwortete. Die Gefährten verabschiedeten sich und verließen mit den übrigen Ordensrittern die Kapelle. Sie traten auf den mit Fackeln beleuchteten Burghof, überquerten die Zugbrücke und begaben sich über die nachtdunklen Rasen zur Kaserne der Ritter, wo sie sich umzogen. Sperber, Stragen und Talen schlüpften in teerverschmierte Seemannskleidung, während die übrigen schlichte Gewandung einfacher Bürger anlegten. Dann stiegen sie alle die Kellertreppe hinunter. Caalador, der nun das kantige Gesicht eines deiranischen Ritters mittleren Alters besaß, führte sie, mit einer rauchigen Fackel in der Rechten, in einen klammen Gang, von dessen Decke und Wänden Spinnweben hingen. Nach etwa einer Meile blieb er stehen und hob die Fackel. »Hier ist Euer Ausgang, Sperber!« Er deutete auf eine schmale, steile Treppe. »Ihr werdet in einer ziemlich anrüchigen Gasse herauskommen, aber sie ist schön dunkel. Viel Glück.«
»Danke, Caalador.« Die beiden schüttelten sich die Hände; dann hob Caalador wieder seine Fackel und führte die anderen durch den modrigen Gang zu weiteren geheimen Ausgängen, während Sperber, Talen und Stragen im Dunkeln zurückblieben.
»Sie begeben sich nicht in Gefahr, Vanion«, beruhigte Flöte den Hochmeister, während die Damen sich reisefertig machten. »Schließlich bin ich bei ihnen und kann mich um sie kümmern.«
»Dann wenigstens zehn Ritter.«
Sephrenia schüttelte den Kopf. »Sie wären uns nur im Weg, Liebster. Aber ich möchte, daß du vorsichtig bist. Ein Trupp Bewaffneter muß viel eher mit einem Angriff rechnen als eine kleine Gruppe harmloser Reisender.«
»Aber es ist gefährlich für alleinreisende Damen!« wandte Vanion beinahe verzweifelt ein. »Überall lauern Wegelagerer, und in den Wäldern gibt es Räuberbanden!«
»Wir werden nicht lange genug an einem Ort sein, um Wegelagerern oder Räubern aufzufallen«, versicherte Flöte. »In zwei Tagen schon sind wir in Delphaeus. Ich könnte es an einem Tag schaffen, aber ich muß unterwegs ein längeres Gespräch mit Edaemus führen, ehe ich mich in sein Tal begebe. Es könnte eine Weile dauern, ihn zu überzeugen.«
»Wann werdet Ihr Matherion verlassen, Hochmeister Vanion?« fragte Xanetia. »Gegen Ende der Woche, Anarae. Wir brauchen noch einige Zeit, unsere Ausrüstung zu vervollständigen, und wir müssen uns noch um den Nachschub kümmern.«
»Vergiß nicht, daß du dir was Warmes zum Anziehen einpackst«, ermahnte Sephrenia ihn. »Das Wetter kann jetzt jederzeit umschlagen!«
»Ich werde daran denken, Liebste. Wie lange werdet ihr in Delphaeus bleiben?« »Das wissen wir noch nicht genau. Aphrael wird dich auf dem laufenden halten. Wir haben eine ganze Menge mit Anari Cedon zu besprechen. Daß Cyrgon Klæl beschworen hat, kompliziert die Sache.«
»Allerdings«, pflichtete Xanetia ihr bei. »Vielleicht müssen wir Edaemus bitten, zurückzukehren.«
»Würde er das tun?«
Flöte lächelte spitzbübisch. »Ich würde ihn überreden. Du weißt ja, wie gut ich das kann. Wenn ich wirklich etwas will, bekomme ich es fast immer.«
»He, du dort! Schlaf nicht ein!« brüllte Sorgis stiernackiger Bootsmann und drohte mit der Peitsche.
Der thalesische Unterweltkönig, der jetzt die Zöpfe und den gezwirbelten Schnurrbart eines blonden genidianischen Ritters trug, ließ den Ballen los, den er eben über Deck trug, und langte nach seinem Dolch.
»Nein!« Sperber stieß ihm den Ellbogen in die Seite. »Hebt den Ballen auf!« Stragen funkelte ihn kurz an; dann bückte er sich nach dem Ballen. »Das gehörte nicht zur Abmachung!« knurrte er.
»Er wird Euch nicht wirklich peitschen«, beruhigte Talen den vor Wut kochenden Thalesier. »Seeleute jammern zwar immer darüber, aber die Peitsche ist nichts als Schau. Ein Bootsmann, der seine Männer tatsächlich mit der Peitsche schlägt, fliegt während einer Reise für gewöhnlich über die Reling.«
»Vielleicht«, brummte Stragen
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