Tamuli 3 - Das Verborgene Land
sie ihn zuerst. Er saß neben seinem alten Freund, Ritter Endrik, einem Veteranen, mit dem er, Kalten und Martel ihr Noviziat durchgestanden hatten. Xanetia ging auf sie zu, während die Farbe aus ihrem Gesicht dem weichen Leuchten wich. Sie studierte Endrik eingehend; dann begann sie den delphaeischen Zauberspruch in ihrem fremdartig klingenden archaischen Tamulisch. Gleichzeitig wirkte Sephrenia den styrischen Zauber.
Sperber spürte gar nichts, als Xanetia ihre magischen Kräfte freisetzte. Dann, im entscheidenden Moment, streckte Sephrenia die Hand aus und gab gleichzeitig den styrischen Zauber frei. Das spürte Sperber durchaus. Seine Züge schienen weich zu werden wie erwärmtes Wachs; er konnte regelrecht fühlen, wie sein Gesicht sich veränderte – beinahe wie feuchter Ton, der in des Töpfers Hand geformt wird. Die offensichtliche Verschönerung seiner gebrochenen Nase tat ein kleines bißchen weh, und die Zähne schmerzten, als sie sich bei der Verlängerung seiner Kinnpartie in den Kiefern leicht verschoben.
»Was meinst du?« fragte Sephrenia erwartungsvoll, als die Verwandlung abgeschlossen war.
Vanion verglich die beiden Männer eingehend. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Ihr es noch ähnlicher hättet machen können. Wie fühlt man sich, plötzlich einen Zwilling zu haben, Endrik?«
»Ich habe überhaupt nichts gespürt, Eminenz«, erwiderte Endrik und betrachtete Sperber interessiert.
»Ich schon.« Sperber betastete vorsichtig seine neue Nase. »Vergeht der Schmerz mit der Zeit, Anarae?« fragte er.
»Je schneller Ihr Euch an die Veränderung gewöhnt, desto weniger werdet Ihr es bemerken, Anakha. Ich hatte Euch ja darauf aufmerksam gemacht, daß es ein wenig unangenehm werden könnte, erinnert Ihr Euch?«
»Natürlich.« Sperber zuckte die Schultern. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht.«
»Sehe ich wirklich so aus?« fragte Endrik.
»Ja«, versicherte Vanion ihm.
»Ich sollte ein wenig mehr für mich tun. Die Jahre sind nicht sehr freundlich mit mir umgesprungen.«
Kalten lachte. »Niemand bleibt auf die Dauer jung und schön, Endrik.«
»Ist das alles, was Ihr mit den beiden tun mußtet, Anarae?« erkundigte sich Vanion. »Die Verwandlung ist abgeschlossen, Hochmeister Vanion«, versicherte Xanetia ihm. »Wir müssen etwas besprechen, Sperber«, sagte Vanion. »Gehen wir in die Sakristei, wo wir nicht im Weg sind, während die Damen den Verwandlungszauber bei den anderen fortführen.«
Sperber nickte, stand auf und folgte seinem Freund zu der kleinen Tür links vom Altar.
Vanion ließ ihm den Vortritt und schloß dann die Tür. »Habt Ihr alles mit Sorgi arrangiert?« vergewisserte er sich.
Sperber setzte sich. »Ich habe gestern mit ihm gesprochen. Ich sagte, ich hätte ein paar Freunde, die nach Beresa wollten, ohne gesehen zu werden. Wie üblich sind ein paar Mann ausgefallen, und deshalb hat Sorgi drei Kojen frei. Stragen, Talen und ich werden uns unter die Besatzung mischen. Auf diese Weise dürften wir Beresa erreichen, ohne aufzufallen.«
»Ich kann mir vorstellen, daß Ihr da tief in den Beutel greifen müßt. Sorgis Preise sind nicht gerade niedrig.«
Sperber massierte seine schmerzenden Kiefer. »So schlimm war es nicht. Sorgi schuldet mir einige Gefallen, und ich gab ihm Zeit, eine Fracht abzuholen, die den größten Teil der Kosten deckt.« »Ihr werdet Euch von hier direkt zum Hafen begeben?«
Sperber nickte. »Durch den unterirdischen Gang, den Caalador unter der Kaserne entdeckt hat. Ich habe Sorgi versichert, daß seine drei neuen Besatzungsmitglieder gegen Mitternacht an Bord kommen werden.«
»Ihr lauft also schon morgen aus?«
Sperber schüttelte den Kopf. »Übermorgen. Morgen müssen wir erst Sorgis Fracht laden.«
»Ehrliche Arbeit, Sperber?« Vanion lächelte.
»Ihr hört Euch ja schon fast wie Khalad an.«
»Er hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, nicht wahr?« »Das scheint er von seinem Vater geerbt zu haben.«
»Hört auf, Euer Gesicht so zu reiben, Sperber! Die Haut wird ja ganz wund.« Vanion machte eine Pause. »Wie war es?«
»Sehr eigenartig.«
»Schmerzhaft?«
»Die Nase jedenfalls. Es hat sich fast so angefühlt, als wäre sie noch einmal gebrochen worden. Seid bloß froh, daß Ihr das nicht durchmachen müßt.« »Das wäre auch wenig sinnvoll. Ich brauche ja nicht durch irgendwelche dunklen Gassen zu schleichen wie ihr anderen.« Vanion blickte seinen Freund mitfühlend an. »Wir bekommen Ehlana frei,
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