Tamuli 3 - Das Verborgene Land
rotblaugoldenen Fahnen schien sie zu verkünden, daß sie schon seit unendlicher Zeit hier stand und daß es ja niemand wagen sollte, ihre hohen, breiten Mauern und die schweren, geschlossenen Tore zu stürmen. Die Brücke über den Astel wurde von hünenhaften, bronzehäutigen Kriegern mit leichter Rüstung, aber sehr bedrohlich aussehenden Waffen bewacht. »Ataner«, stellte Ritter Heldin fest. »Gegen diese Leute wollen wir nun wahrhaftig nicht kämpfen!«
Die Reihen der düster blickenden Fußsoldaten teilten sich und ein greiser, runzeliger Tamuler in goldfarbenem Umhang kam mit einem ganz in Schwarz gekleideten, bärtigen astelischen Priester auf sie zu. »Seid gegrüßt, meine Herren Ritter«, wandte der haarlose greise Tamuler sich mit beinahe staubtrockener Stimme an die gepanzerten Männer. »König Alberen ist ein wenig neugierig, was Eure Absichten betrifft. Ordensritter sieht man in diesem Teil der Welt nicht oft.«
»Ihr dürftet Botschafter Fontan sein«, meinte Bergsten. »Emban hat Euch sehr gut beschrieben.«
»Ich dachte, er hätte bessere Manieren.«
Bergsten lächelte leicht. »Vielleicht möchtet Ihr einen Boten in die Stadt zurückschicken, Exzellenz. Versichert Seiner Majestät, daß wir durchaus friedliche Absichten hegen.«
»Ich bin sicher, er wird es mit Freuden zur Kenntnis nehmen.«
»Emban und Ritter Tynian sind vor etwa zwei Monaten nach Chyrellos zurückgekehrt«, fuhr Bergsten fort. »Sperber ließ ausrichten, daß die Dinge hier aus den Fugen gerieten. Deshalb hat Dolmant uns hierher geschickt. Wir sollen helfen, die Ruhe wieder herzustellen.« Der hünenhafte Patriarch verzog das Gesicht. »Leider haben die Dinge sich anders entwickelt als geplant. Bei Basne kam es zu einem höchst unliebsamen Zwischenfall, und jetzt haben wir viele Verwundete, die ärztliche Versorgung brauchen.«
»Ich werde sofort in den Abteien Bescheid geben lassen, Herr Ritter«, versprach der bärtige Priester, der neben Fontan stand.
»Bergsten ist kein Ritter mehr, Ehrwürden«, erklärte Komier ihm. »Früher war er einer, aber Gott hatte andere Pläne mit ihm. Jetzt ist er Patriarch der Kirche. Gewiß ist er ein frommer und sanftmütiger Mann, aber es ist uns noch nicht gelungen, ihm die Streitaxt abzunehmen.«
»Wo sind meine Manieren geblieben?« klagte Fontan. »Mein Freund hier ist Erzmandrit Monsel, das gesalbte Oberhaupt der Kirche von Astel.« »Eminenz.« Bergsten verneigte sich höflich.
»Eminenz«, erwiderte Monsel und blickte neugierig auf den Geistlichen, der wie ein Krieger aussah. »Euer Freund Emban und ich hatten einige sehr anregende Diskussionen über unsere unterschiedlichen Auffassungen, was die theologischen Grundsätze betrifft. Vielleicht hättet Ihr Lust, diese Gespräche mit mir fortzuführen? Aber sehen wir uns erst einmal eure Verwundeten an. Wie viele sind es in etwa?« »Zweitausend, grob geschätzt, Eminenz«, antwortete Komier düster. »Es ist schwierig, die genaue Zahl zu nennen, da Stunde für Stunde Dutzende wie die Fliegen dahinsterben.«
»Um Gottes willen! Gegen wen habt ihr da oben in den Bergen gekämpft?« stieß Monsel entsetzt hervor.
»Gegen den Fürsten der Hölle höchstpersönlich, soweit wir es erkennen konnten, Eminenz«, antwortete Darellon. »Dreißigtausend Gefallene mußten wir auf dem Schlachtfeld zurücklassen – hauptsächlich Cyriniker. Abriel, ihr Hochmeister, führte den Sturmangriff, und seine Ritter folgten dichtauf. Sie waren schon mitten im Kampfgetümmel, ehe sie zu erkennen vermochten, mit wem sie es zu tun hatten.« Er seufzte. »Abriel ging auf die siebzig zu. Offenbar war er der Ansicht, zum letzten Mal in die Schlacht zu ziehen.«
»Da hatte er recht«, brummte Komier grimmig. »Es blieb nicht einmal genug von ihm übrig, daß es für eine Beerdigung reichte.«
»Aber er starb einen Heldentod«, fügte Heldin hinzu. »Könntet Ihr uns schnelle Kuriere zur Verfügung stellen, Exzellenz? Sperber und Vanion rechnen mit unserer baldigen Ankunft in Matherion. Wir sollten die beiden lieber wissen lassen, daß unser Eintreffen sich verzögert.«
»Er heißt Valash«, sagte Stragen zu Sperber und Talen, als die drei, immer noch in ihren teerverschmierten Seemannskitteln, aus der lauten, fackelerhellten Straße in die dunkle, übelriechende Gasse gingen. »Er und seine beiden Freunde sind Daziter aus Verel.«
»Hast du herausfinden können, für wen sie arbeiten?« fragte Sperber, als sie anhielten, damit ihre Augen sich der
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