Tamuli 3 - Das Verborgene Land
und grauen Umhängen an der Bugreling des schmuddeligen Frachters lehnten, der sich über das Binnenmeer von Arjun von Sopal nach Tiana plagte.
Khalad zuckte die Schultern. »Nein, nichts dergleichen. Alle Männer in unserer Familie haben einen sehr starken Bartwuchs – von Talen abgesehen. Würde ich mir keinen Bart wachsen lassen, müßte ich mich täglich zweimal rasieren. So stutze ich ihn einmal die Woche mit einer Schere und lasse es darauf beruhen. Auf diese Weise spart man viel Zeit.«
Berit rieb sich die Wange. »Ich frage mich, was Sperber tun würde, falls ich mir einen Bart wachsen ließe.«
»Er würde vermutlich nichts tun, aber Königin Ehlana würde dich wahrscheinlich schälen wie einen Apfel. Sie liebt sein Gesicht genau so, wie es ist. Sie liebt sogar seine krumme Nase.«
»Sieht so aus, als hätten wir da ein Unwetter vor uns.« Berit wies in Richtung Westen.
Khalad runzelte die Stirn. »Woher ist das so plötzlich gekommen? Noch vor einer Minute war der Himmel klar. Komisch, daß ich sein Aufkommen nicht gerochen habe.«
Die Wolkenbank am westlichen Horizont war von tiefem Rotschwarz. Sie wogte heftig und schwoll mit unglaublicher Geschwindigkeit nach oben an. Blitze flackerten tief in ihrem Innern, und Donnergrollen breitete sich über dem dunklen, kabbeligen Wasser aus.
»Ich hoffe, diese Seeleute wissen, was sie tun«, sagte Berit nervös. »Das scheint ein gefährlicher Sturm zu werden.«
Sie beobachteten die tintige Wolke weiterhin, die bereits den gesamten westlichen Himmel verdunkelte.
»Das ist kein natürliches Gewitter, Berit.« Khalads Stimme klang angespannt. »Es kommt viel zu schnell.«
Plötzlich krachte ein ohrenbetäubender Donnerschlag, und die Wolke schien zu erbleichen und erzitterte unter der Wucht der Blitze, die in ihrem Innern tobten. Die beiden jungen Männer sahen die schattenhafte Form in dem Augenblick, als die bläulich grellen Blitze die Dunkelheit vertrieben und enthüllten, was in der Wolke verborgen gewesen war.
»Klæl!« keuchte Berit, während er auf die monströse, geflügelte Gestalt in der wogenden Sturmfront starrte.
Der nächste Donnerschlag zerriß den Himmel, und das ärmliche Schiff erschauderte. Klæls keilförmige Fratze, von einer Wolke verschleiert, schien sich zu kräuseln und seine Form zu verändern. Seine Schlitzaugen flammten in plötzlicher Wut. Die gewaltigen Fledermausflügel peitschten auf den herannahenden Sturm ein, und aus dem grauenvollen Maul Klæls drang ohrenbetäubendes Gebrüll, als das Ungeheuer in wilder Raserei tobte. Seine riesigen Arme streckten sich in die trübe Luft, und die Klauen zuckten, als würden sie gierig nach irgend etwas packen.
Dann war das Monstrum verschwunden, und die unnatürliche und jetzt harmlose Wolke trieb zerfetzt gen Südosten, bis sie nur noch ein schmutziger Punkt am Horizont war. Doch die Luft stank nun, Übelkeit erregend, nach Schwefel.
»Gib Aphrael sofort Bescheid«, riet Khalad seinem Freund. »Klæl ist wieder erschienen. Er hat nach irgend etwas Ausschau gehalten, konnte es aber nicht finden. Weiß der Himmel, wo er als nächstes suchen wird!«
»Komiers Arm ist dreifach gebrochen!« brummte Ritter Heldin, als er sich Patriarch Bergsten, der das Kettenhemd noch nicht abgelegt hatte, Botschafter Fontan und Erzmandrit Monsel in Monsels von Büchern überquellendem Studiergemach im Ostflügel des Schlosses zugesellte. »Und Darellon sieht immer noch alles doppelt. Komier braucht keine Bettruhe; er kann mit uns kommen. Aber ich glaube, wir sollten Darellon lieber hier lassen, bis er sich erholt hat.«
»Wie viele von unsren Männern können noch aufrecht auf einem Pferd sitzen?« erkundigte sich Bergsten.
»Höchstens vierzigtausend, Eminenz.«
»Wir müssen eben das Beste aus dem machen, was wir haben. Offenbar wußte Emban, daß wir diesen Weg nehmen würden, denn er hat dutzendweise Boten gesandt. In Südosttamul spitzen die Dinge sich zu. Sperbers Gemahlin wurde als Geisel entführt, und unsere Feinde wollen sie gegen Bhelliom austauschen. In den Dschungeln von Arjuna macht eine Rebellenarmee sich bereit, gegen Matherion zu marschieren, und zwei weitere Heere sammeln sich an der Ostgrenze von Cynesga. Falls alle diese Streitkräfte sich zusammentun, ist das Spiel aus. Sperber möchte, daß wir nach Osten über die Steppen reiten, bis die Marschen von Astel hinter uns liegen, dann gen Süden ziehen und die cynesganische Hauptstadt belagern. Er braucht eine Ablenkung, um
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